Nachdem ich in der Pfingstausgabe der Süddeutschen über die Ausstellung „Belief Unlimited“ in München gelesen hatte, gelang es mir heute endlich, von Augsburg dahin zu fahren. Regionalexpress und Radl waren meine Transportmittel. In der Landeshauptstadt gondelte ich die Isar entlang zum Siemensgelände und fand dort die Galerie in einem Industriegelände Kistlerhofstr. 75, Haus 60, 3. Stock. Hört sich schon mal vielversprechend an. Es gibt einen Aufzug. Mich hatte die Beschreibung eines einzigen Exponates hingelockt. Ich zitiere die SZ: „… „responsibility to protect“ ist ein weißes Ölfass, in dem Petroleum blubbert, die Henkel bestehen aus gekreuzigten Jesusfiguren. Die Arbeit bezieht sich auf die Verflichtung der UNO, einzugreifen, sobald ein Volk von Genozid oder Verfolgung bedroht ist. In der Realität, so Schmelzer lakonisch, passiere das nur, wenn es um Weiße, Christen, Erdöl oder Erdgas gehe. …“
Der Künstler weiß anscheinend nichts davon, dass R2P auch die Kirchen beschäftigt und dass der ÖRK das Konzept bekräftigt hat. Doch Kunst spricht über ihren Entstehungskontext hinaus. Die Kruzifixe – neuerdings wissen Journalisten nichts mehr mit diesem Begriff anzufangen und sprechen von „Jesuskreuzen“ oder eben „gekreuzigten Jesusfiguren“ – willkommen in der Nachchristenheit (post christendom) – die Kruzifixe also weisen auf den Widerspruch hin zwischen dem freiwilligen befreienden Leiden Jesu und der Schutzpflicht, die alle von Staats wegen vom Leiden erlösen will. Der Staat kanns! Die UNO allemal! Das haben sie seit 2000 Jahren bewiesen!
Ich stehe vor dem Ölfass, das Öl ist schwarz und schweiget, es blubbert und dementiert mit jedem aufsteigenden Bläschen den Anspruch von R2P auf Erlösung von dem Bösen. Der gekreuzigte Menschensohn wird zum Aufhänger des Widerspruchs, zum Griff zum Wegwerfen der Schutzpflicht. Dem Evangelium wird immer noch Gewalt angetan.
Das Foto kann nur andeutungsweise den Eindruck wiedergeben, den ich als direkter Betrachter empfunden habe. Das Öl ist auch zu riechen! Tom Schmelzer bringt es mit seiner Installation auf den Punkt. Ersetzt 1000 Predigten. – Mehr dazu demnächst mal in einer Predigt. Ansonsten empfehle ich dringend, in diese Ausstellung gehen. Zumindest allen, die bereit sind, Anstößiges zu sehen.
Platform 3, Kistlerhofstraße 70, Haus 60, 3. Stock, bis 7. Juli, Montag bis Donnerstag 10-17 Uhr, Freitag 10-13 Uhr.
www.platform3.de
17. Juni 2009 von Wolfgang