Das Grundgesetz kennt weder Kanzlerinnen- noch Ministereid
Jedesmal dieselbe „Debatte“, landauf, landab wird in den Gazetten vor der Regierungsbildung die Frage erörtert, wer wohl mit oder ohne religiöse Formel „so wahr mir Gott helfe“ schwören wird. Die Süddeutsche Zeitung bringt am 14.3.18 sogar einen Kasten auf Seite 1 Mitte, wo seit geraumer Zeit mehr oder weniger skurrile Phänomene bedacht werden, die sonst auf der bunten Seite „Panorama“ abgehandelt werden müssten. Unter der Überschrift „So wahr ihr Gott helfe“ geht Heribert Prantl hier verschiedenen Aspekten des Amtseides für Regierungsmitglieder nach, taucht ein in seine Geschichte und meint, Merkel hätte ihn nicht zum vierten Mal leisten müssen. Er zitiert Kanzler Helmut Schmidt, der habe zwar „keinerlei Gewissenszweifel gehabt, den Amtseid unter Anrufung Gottes zu schwören“, jedoch gezweifelt, ob Martin Luther oder der Vatikan ihn als Christen anerkennen würden. Zweifel, ob der Eid noch „zeitgemäß“ sei, meint Prantl, habe es immer wieder gegeben, allerdings ohne großes Echo.
Ausgerechnet ein Sozi
Am Ende fragt Prantl nach dem Sinn der religiösen Formel. Wer sie spreche, stelle seine religiöse Überzeugung in den staatspolitischen Dienst. Zum Schluss zitiert er Roman Herzog, der meinte, es entbehre nicht der Pikanterie, dass gerade ein weltanschaulich neutraler Staat, sich der Gläubigkeit seiner wichtigsten Amtsträger bedient, um diese sich weit über die Rechts- und Verfassungsbindung hinaus binden zu lassen. Ach ja, es wird natürlich noch erwähnt, dass Gerhard Schröder bisher als einziger Kanzler auf das „So wahr mir Gott helfe“ verzichtete. Ausgerechnet ein Sozi hat also als einziger Kanzler halbwegs den Willen Gottes erfüllt.
Grundgesetz und Neues Testament
Laut Matthäusevangelium 5, 33 ff sagt Jesus in der Bergpredigt: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3. Mose 19,12; 4. Mose 30,3): Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deine Eide halten. – Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.“
Im Brief des Jakobus 5, 12 heißt es: „Vor allen Dingen aber, Brüder und Schwestern, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde noch mit einem andern Eid. Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt.“
Hätte Schröder ganz auf den Eid verzichtet, so wäre er mit dem Neuen Testament im Einklang gewesen. Aber dann hätte er nach Heribert Prantl nicht Kanzler werden können.
Die christlichen Parteien und das Vorbild Jesu
Seltsam, dass gerade die Kanzlerin und ihre Minister aus den „christlichen“ Parteien, sich auf Gott berufen, aber die Lehre und das Vorbild Jesu Christi nicht achten. Vielleicht gar nicht kennen? Warum verbietet Jesus den Eid? Wir können unser Handeln nicht garantieren und wir sollen nicht Gott als Garanten einsetzen. Jesus hält es für unangebracht wegen irgendwelcher menschlicher Geschäfte – und sei es ein Regierungsantritt – Gott dienstbar zu machen. Wir sollen seinen Namen nicht missbrauchen. Gott soll nicht instrumentalisiert werden, vielmehr sollen wir uns zum Instrument von Gottes Willen machen lassen, wie er nach christlichem Gauben in Jesus offenbar wird. Darum ist Jesus Chef der Christen und nicht der Papst noch Martin Luther, wie Helmut Schmidt meinte.
Immerhin, die neuen Minister Olaf Scholz, Katarina Barley und Svenja Schulze (alle SPD) verzichten auf die religiöse Formel und kommen dem Neuen Testament zumindest auf halbem Weg entgegen. Entbehrt es nicht der Pikanterie, dass gerade CDU/CSU uns zwar was vom „christlichen Menschenbild“ erzählen, sich aber um Lehre und Vorbild Christi nicht scheren, nicht nur in der Eidfrage?
15. März 2018 von Wolfgang