Unbedingt sehenswert die Ausstellung, 8.3.19 – 28.7.19
El Anatsui. Triumphant Scale
Donnerstag hatte ich in München zu tun. Soll ich noch ins Haus der Kunst? fragte ich mich anschließend. Zeit genug wäre. Ich laufe hin, quer durch die Stadt, merke mal wieder wie weitläufig München ist. Liegt aber auch daran, dass ich zu Fuß unterwegs bin und nicht auf dem Rad, wie sonst in Augsburg. Ok, denke ich, du siehst dir wenigstens mal die Fassadeninstallation von El Anatsui an, dann entscheidest du. Über die Ausstellung von Anatsui hatte ich in der SZ gelesen, Kollagen aus Abfallgegenständen, auch die riesig lange Säulenfront mit Altmaterial verkleidet. Den Namen El Anatsui hatte ich nie zuvor gehört.
Als ich mich durch die Seitzstraße nähere, hab ich die Fassade vergessen und wundere mich über den Anblick. Wo sind die Säulen geblieben? Dann kapiere ich. Aha, die Installation. Ich überquere die vierspurige Prinzregentenstraße und bin nicht so beeindruckt, wie gedacht. Von weitem und aus der Nähe sehen die vielen aneinandergefügten Druckplatten doch nicht so spektakulär aus, wie ich erwartet hatte. Ich investiere aber dann doch 11 € und gehe in die Ausstellung. Meine Erwartung entsprechend heruntergestimmt.
Wegwerfzeug
Und dann bin ich … ganz baff! bewegt! beeindruckt! emotional tief berührt. Kollagen aus Wegwerfzeug hatte ich erwartet. Ja, da ist Wegwerfzeug, Müll. Doch daraus sind gewebeartige Kunstwerke entstanden. Gewebe aus Flaschenverschlüssen, Flaschenverschlussfolien, Konservendosendeckeln. Im größten Raum ein Labyrinth aus Mauern, nein, netzartigen Vorhängen, die sich mal zu Wänden verdichten, mal durchsichtig durchschaubar sind. Die meisten Stücke in wand- oder bodenfüllendem Format, ältere Arbeiten auch in Holz, nur wenige „Skulpturen“, meist auch flächige, aber wesentlich kleinere Gebilde.
Ich gehe durch alle Räume, höre die Texte auf dem Audioguide. Dann gehe ich schnell, hier und da verweilend noch mal und nochmal durch. Am Ende erschöpft und besoffen von den Eindrücken, fast als hätte ich einiges vom Inhalt der Flaschen, von deren Hals das Material meist stammt, genossen.
Die Werke El Anatsuis – ich kann sie nicht beschreiben – so etwas habe ich noch nicht gesehen. Auch die vielen im Internet zu findenden Fotos können sie nicht angemessen wiedergeben. Von weitem sehen sie aus wie gewebte Textilien, Teppiche oder Vorhänge, in eigenartig unregelmäßige Falten gebracht. Mal monochrom, mal leuchtend bunt. In der Nähe offenbart sich das Material als Flaschenverschlussfolien, Konservendosendeckel und ähnliches. Zu großen Flächen mit Kupferdraht verbunden. Tausende und zehntausende einzelne Stücke zusammengefügt.
Mit Afrika verbündet
Das schafft der aus Ghana stammende Künstler, der jetzt in Nigeria lebt, nicht alleine. An einem Stück würde er sonst zwei, drei Jahre sitzen. Er hat einige Dutzend Mitarbeiter in seiner Werkstadt angestellt. In einer klassischen Bildhauerausbildung an der Khwame-Nkrumah-Uni in Ghana lernte Anatsui das Handwerk. Frühe Arbeiten in Holz zeigen, dass er die handwerklichen Lektionen gelernt hat. Schon immer schöpft er aus den Kulturen der Völker Ghanas und Nigerias. In seinen skulpturalen Webereien und Labyrinthen verbindet, ja verbündet er Afrika mit allen Teilen der Erde, mit dem Universum. Ich werde hineingenommen in diese Erfahrung.
Fasziniert kann ich mich kaum lösen aus der Ausstellung. Am Ausgang bedankt sich die Kartenkontrolleurin für den Besuch. Ich habe zu danken, sage ich, es ist unglaublich beeindruckend. Danke! – Das sagen alle, sagt sie, die die Ausstellung sehen. – Beim Zurückgeben des Audioguides bedanke ich mich nochmal an der Kasse. – Ja, das sagen alle! sagt die Frau an der Kasse. Sie verrät mir auch, dass ich mit Bus 100 zurück zum Hauptbahnhof komme.
Übrigens, der Audioguide
Übrigens, der Audioguide ist Senta Berger gesprochen. Er bietet in der deutschen Fassung einen Kommentar zum jeweiligen Kunstwerk oder Raum. Dann gibt es meist noch einen Kommentar für Kinder, einen in Leichter Sprache und schließlich eine Beschreibung des Kunstwerkes für Sehbehinderte.
Hier ist nachzulesen, was das Haus der Kunst zu seiner Ausstellung schreibt https://hausderkunst.de/ausstellungen/elanatsui
26. März 2019 von Wolfgang