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Wolfgangs Notizen

Von Theologen & Theolunken, Betschwestern, Winkelpredigern, Gartenbrüdern & Himmelsstürmern

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Hans Denck in Süddeutscher Zeitung

Verblüffende Parallelisierung von Eid- und Gewaltverweigerung

 

„Schön, dass Hans Denck in der Weihnachtsausgabe der Süddeutschen zu Wort gekommen ist! (gerade entdeckt! — ich habe die Zeitung nur aus einer Laune heraus gekauft, blättere sie gerade durch).“ So schrieb mir ein Freund am 2. Weihnachtsfeiertag. – Ja, schrieb ich ihm zurück: „Dein Email erinnert mich, den Brief in Gänze auf meinen Blog zu stellen.“ Was ich hiermit tue. Die SZ hat nur ein kleines Fragment meines Leserbriefes abgedruckt: Unten in kursiver Schrift. Leider hat sie Dencks verblüffende Parallelisierung von Eid- und Gewaltverweigerung rausgekürzt.
Ihr findet alle abgedruckten Leserstimmen hier: https://www.sueddeutsche.de/kolumne/kabinett-und-amtseid-auftakt-mit-interpretationsspielraum-1.5493872
Der Artikel selbst ist leider nicht frei zugänglich. Wer einen SZ-online-Zugang hat, wird hier fündig: https://www.sueddeutsche.de/kultur/amtseid-ampel-kabinett-so-wahr-mir-gott-helfe-1.5485137?reduced=true

Leserbrief zu „Ach, Gottchen – Die Hälfte des neuen Kabinetts will keine Hilfe von ganz oben. Ein Skandal?“ Von Kurt Kister, SZ 11.12.21, S. 17

Mal wieder dieselbe „Debatte“, wer von der neuen Regierung mit oder ohne religiöse Formel den Amtseid geschworen hat. Auch Kurt Kister erwähnt, dass Gerhard Schröder als bisher einziger Kanzler auf das „So wahr mir Gott helfe“ verzichtete. Nun also auch Scholz, samt zwei weiteren Sozis und alle grünen Minister. Ganz entspannt könne man das sehen, beides sei „irgendwie okay“ und angesichts fortschreitender Säkularisierung würden sich „spätestens bei der übernächsten Kabinettsvereidigung … nicht mehr viele Menschen Gedanken darüber machen“.

Zu Beginn seines launigen Artikels zitiert Kister das Eidverbot Jesu in der Bergpredigt. Er konstruiert daraus einen Widerspruch zwischen Jesus, dem Sohn, und Gott Vater, der doch dem Abraham Segen und viele Nachkommen zugeschworen habe. Dabei geht Jesus schon darauf ein, dass es früher anders geheißen habe: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3. Mose 19,12; 4. Mose 30,3): Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deine Eide halten. – Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.“ Matthäus 5, 33 ff.

Das Eidverbot kann nicht ganz nebensächlich sein, wird es doch an anderer Stelle des Neuen Testaments bekräftigt (Jakobus 5, 12). Es geht Jesus und Jakobus nicht um eine religiöse Formel, sondern um den Eid schlechthin. Das gerät Kister im weiteren etwas aus dem Blick. Wir sollen immer wahrhaftig reden, dafür reicht Ja und Nein. Wir können unsere Handlungen in der Zukunft nicht garantieren, also sie auch nicht per Eid bekräftigen, schon gar nicht indem wir Gott zum Zeugen oder Helfer herbeirufen. Wir sollen Gott nicht für unsere Zwecke benutzen.

Es hat immer wieder Christen gegeben, die das ernstgenommen haben und sich durch Verweigerung verschiedener Formen des Eides erhebliche Nachteile einhandelten, etwa die Täufer auf dem „linken“ Flügel der Reformation des 16. Jahrhunderts. Damals mussten in den Schweizer Eidgenossenschaften oder auch in freien Reichsstädten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation einmal im Jahr alle Bürger antreten und einen Loyalitätseid leisten. Wer den verweigerte, musste mit Stadtverweis, Haft oder gar Hinrichtung rechnen. Der Täufer Hans Denck schrieb dazu 1527: „Gelübde und Eid zu halten steht in keines Menschen Hand, sondern was ein Freund Gottes für recht erkennt, soll er ohne Gelübde und ohne Versprechen tun … Manche aber sagen: Es schwöret doch Gott selbst und dies ist nicht Unrecht, darum dürfen wir es auch tun … Darauf lautet die Antwort: Wenn wir gewiss sein können, dass wir es zu halten vermögen, wie er, so mögen auch wir schwören wie er. Also steht es auch mit dem Totschlagen und Herrschen, wenn wir es frei von Rache und Eigennutz tun könnten wie Gott …“ Der letzte Satz deutet auf die in der Bergpredigt ebenfalls gebotene Gewaltfreiheit und Feindesliebe und die Beziehung zwischen Loyalitätsverweigerung und Gewaltverzicht.

Nach dem Grundgesetz sind übrigens weder Kanzler noch Ministerinnen zum Eid verpflichtet. Das GG enthält dazu KEINEN Artikel. Es schweigt dazu, wie schon die Weimarer Verfassung. Kanzler und Minister bedürfen NUR der Ernennung durch den Bundespräsidenten (GG Art 63 & 64) und KEINES Amtseides.

Seltsam, dass die religiöse Formel oft als Hinweis auf den Glauben der schwörenden gesehen wird.  Dabei achtet derjenige, der sie gebraucht, doch am allerwenigsten auf Lehre und Vorbild Jesu.

Olaf Scholz verzichtete schon beim Ministereid 2018 auf die religiöse Formel und kam so dem Neuen Testament zumindest auf halbem Weg entgegen. So gesehen, zeugt die uniforme Verwendung der religiösen Formel durch sämtliche FDP-Minister ironischerweise von der traditionellen Glaubensferne dieser Partei.

Wolfgang Krauß, Augsburg


27. Dezember 2021 von Wolfgang

Geschrieben in Artikel und Texte, Die andere Reformation, Persönliche Notizen, Politische Notizen, Theologische Notizen | 0 Kommentare

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