Fortsetzung von „Hassan Dyck & Friends“
Nach der Pause wird’s richtig fromm. Hassan leitet das Publikum in Andacht und Anbetung: Das Anrufen der heiligen geoffenbarten Namen Gottes löse Schwingungen und Frequenzen aus, die Bewusstseinsschichten durchdringen und an Stellen der Seele kommen, die wir sonst nicht berühren. Das Lob Gottes reinige das Herz. Es putze den Spiegel der Seele, der das göttliche Licht reflektiere. Wenn er verrostet sei und durch die 80.000 schlechten Eigenschaften verschmutzt, die vom göttlichen Geliebten trennen, dann nehme das Lob Gottes den Schleier weg. „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Das erste Gebot des Dekalogs entspreche dem islamischen Bekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Allah.“ Nur die göttliche Existenz sei wahr – unsere Existenz sei zeitlich und vergehe.
„Lā ilāha illā ʾllāh“ – es gibt nur den einen Gott. Hassan stimmt es an und viele singen mit. Meditativ wird es gesungen – 10 Minuten – 20 Minuten – 30 Minuten.
Dann scheint die Andacht zu Ende und ohne Übergang macht Hassan wieder Scherze: Mullah Nasredin bekam bei einem nächtlichen Spaziergang Angst vor Räubern. Es waren zwar nur Kaufleute, die er für Räuber hielt. Doch Angst hatte er auf jeden Fall. Er entkommt auf den Friedhof und springt in ein leeres Grab. Die Kaufleute folgen ihm und fragen: Was machen Sie da im Grab? Nasredin antwortet: Sie sind hier wegen mir und ich bin hier wegen Ihnen. Mehr kann ich nicht sagen.
Wie haben wir das zu verstehen? Ja, gute Frage.
Es gibt eine Zugabe, wenn wir warten bis der eingeschlafene Fuß des Meisters aufgewacht ist. Auch das ein Gleichnis?
Zugabe ist die „Cello-Melodie“ über Menschen, die durchs Leben reisen, bis sie auf die letzte Reise mit der schwarzen Limousine gehen. Ein skurriles Lied, wieder ganz in der Tradition von Insterburg&Co. So endet der Abend, wie er begonnen hat.
Und endlich die Chance nach Hassans Familiennamen mich zu erkundigen. Ja, sein Vater war Mennonit ostpreußischer Herkunft. Die Mutter aus niederländisch-jüdischem Kontext. Hassan hatte selbst jedoch keinen Kontakt zu einer Gemeinde. Nach kurzem Gespräch, es ist spät, die Gruppe und die mitgereisten Frauen wollen noch miteinander essen, verabschiede ich mich, mit einem Geschenk: Hans Denck, „Vom Gesetz und von der Liebe“.
Hans Denck, war hier in Augsburg führender Kopf der Täufergemeinde, verband Nachfolge Jesu und mystische Tradition in einer bemerkenswert praktischen und dennoch höchsten Abstraktionsgrad erreichenden Theologie der Nachfolge. Nur ein Beispiel für die mystische Linien in der mennonitisch-täuferischen Tradition.
Nachbemerkung:
Natürlich gibt es da auch noch Differenzen. Hassan selbst weist im Programm darauf hin. Er zitiert aus Goethes „West-östlichem Diwan“
Jesus fühlte rein und dachte
Nur den einen Gott im stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte,
Kränkte seinen heilgen Willen.
Über die Rolle Jesu wäre zu reden. Auch über die mannigfachen Verkleidungen der Gläubigen. Keine schlechte Verkleidung, die Liebe Gottes zu verkünden, Menschen zum Lob Gottes einzuladen und zur Heilung ihrer Gebrechen. Hassan meint, das sei das beste Psychopharmakon: Gott zu loben. So ca. 300 mal am Tag müsste helfen, selbst gegen schwere Depressionen.
Wenngleich mich die Sufi Botschaft Hassans schwer beeindruckt und gerührt hat und ich in seiner Verkündigung und seinem Gesang von der Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch mitschwingen konnte, meine ich immer noch, dass uns der Liebende gerade in Jesus Christus so nahekommetist, wie nie zuvor und nie danach, das er in ihm menschliche „Verkleidung“ angenommen hat.
In ihm hat er sich ganz in diese Welt hineingeben, ist selbst in die schwarze Limousine eingestiegen, nicht ohne wieder auszusteigen. Er hat uns auf seinen Weg gerufen. Ich gehe seinen Weg. Darum ist er „mein Gott“.
14. Juli 2009 von Wolfgang