Muhabbat Caravan – Karawane der Liebe
Ein Konzert in Augsburg am 23.6.09
Es hat etwas gedauert, bis ich die Erfahrung eines außergewöhnlichen Konzerts in Schrift fassen konnte.
Es ist schon Abend, als ich wieder mal ankomme in Augsburg. Ich werfe einen Blick in die Augsburger Allgemeine und traue meinen Augen kaum. Heute abend Hassan Dyck in der lokalen Kabarettbühne Kresslesmühle. „Musik, die die Seele abheben lässt“ gespielt von „Muhabbat Caravan – Caravan of Love“. Die Zeitung bringt das Bild eines weißbärtigen, orientalisch gekleideten älteren Mannes mit Cello. Der Bildtext sagt, er zähle zu „den gefragtesten Interpreten der mystischen Sufi-Musik“ und spiele „eine Mischung von Minimal Jazz, Blues und Trance, basierend auf orientalischen Tonfolgen“.
Hassan Dyck?!? Na, wenn das kein Mennonit ist! Ich hatte eigentlich nicht vor, heute abend auszugehen. Im Internet finde ich noch heraus, dass Hassan Dyck eine Kommunität namens „Orientalische Herberge“ gegründet hat und höre mir auf You Tube einige seiner Musikstücke an. Seltsam – manches klingt wie eine islamisch getönte Version von Insterburg&Co. Auf der Seite stehen auch einige wütende Kommentare, die Islamizität von Hassans Auftritten bestreiten. Kann ich anders, als da hin gehen?
An der Abendkasse sind noch Karten erhältlich. Gesprächsfetzen aus der Schlange weisen auf ausgeprochen esoterische Neigungen des Publikums. Das Alter geht deutlich Richtung fünfzigplus. Ich bin wohl der einzige, der wegen des mennonitisch-islamischen Dialogs gekommen ist. Skeptisch nehme ich in der zweiten Reihe Platz.
Hassan Dyck zieht die Schuhe aus, bevor er zu seinem Cello auf die kleine Bühne geht. Er trägt traditionell osmanische Kleidung – Turban, Pluderhosen, einen Umhang – und beginnt die Abendmoderation mit den Worten: „Mancher fragt sich wohl, warum er heute Abend hierher gekommen ist und was er hier sucht. Es gibt keinen Zufall.“ Ja, richtig, genauso geht es mir. „Hinterher wissen wir mehr. Dies ist übrigens kein Konzert, wir spielen euch hier nichts vor. Es geht um ein gemeinsames Erleben, um ein Hören.“ Was fange ich mit dieser islamischen Verkleidung an? Es sieht erstmal gut aus.
Im ersten Teil spielt Hassan vertonte Gedichte einer heutigen amerikanischen Sufidichterin und des vor 800 Jahren lebenden Sufis Rumi. Dazwischen moderiert er tatsächlich im Stil des höheren Blödelbarden Ingo Insterburg. Er erzählt Anekdoten aus seinem eigenen Leben, Legenden über den türkischen Eulenspiegel Mullah Nasredin, zitiert hier und da den Propheten Muhamad oder irgendwelche Sufigewährsleute und immer wieder bringt er das Publikum zum Schmunzeln oder lauthals Lachen. „Allah muss Humor haben, sonst würde er es mit uns Menschen, doch nicht solange aushalten.
Es geht um das innere Hören der Seele. Einer der 99 schönen Namen Allahs heißt Es Samer, der Allhörende. Im inneren Hören der Seele geschieht Heilung. Ein paar % sollen zu schmecken sein heute abend.
Hassan spielt nicht einfach Cello, nein, Cello d’amore. Da sind links und rechts neben den Saiten noch 16 weitere Saiten gespannt, die durch Resonanz einen besonderen Ton geben. Wie diese Saiten, so ist auch unsere Seele empfänglich für die Resonanz der göttlichen Schwingungen. Hassan spielt außerdem die mit dem Fuß betriebene indische Harmonika. Zur Karawane gehören zudem Mario Triska an der Violine, der sich als Zigeunermusiker bezeichnet und Marvin Dillmann an Klopfkiste, afrikanischer Trommel und Digeridoo. Und alle drei sind sie wahre Virtuosen ihrer Instrumente. Noch nie habe ich einen so Digeridoo spielen gesehen und gehört. Das Ding ist aus Metall und lässt sich zusammenschieben, so dass es verschiedene Tonarten spielen kann.
Die Harmonika liefert oft nur einen Basso continuo. Alles klingt sehr osmanisch und orientalisch. Doch Rhythmus und Tonfolgen lassen oft auch an The Doors oder andere Rockklassiker denken. Die Musik nimmt mich mit, sie geht in den Bauch und in die Seele und doch schaltet sie mein Bewusstsein nicht aus. Ich stehe daneben und sehe mir zu, wie ich mich fallen lasse in die Improvisation, davontragen lasse von diesem Klangteppich.
Während Hassan mit Rumi von der göttlichen Liebe als dem Ursprung der Schöpfung spricht und dem Urgrund allen Seins und wie wir uns, wenn wir schon im Leben zu zu sterben bereit sind, wieder versenken können in diese Liebe, küsst sich ein Päärchen neben mir lange und ausdauernd. Na, wenn das keine Mystik ist!
Es gibt eine schöne lange Pause. Ich versuche ins Gespräch mit Hassan zu kommen über mennonitische Wurzeln, doch wir werden zu oft gestört und verabreden uns schließlich für nach dem Programm.
Nach der Pause hat das Ganze noch weniger Konzertcharakter. Davon demnächst weiterlesen oder Klangbeispiele hören auf
http://www.hassandyck.com
oder auf „You Tube“ Hassan Dyck eingeben.
14. Juli 2009 von Wolfgang