... und welche Erklärungen ich für seinen Namen hörte
Sonntag Abend radele ich zurück vom Weldishof zum Bahnhof Dinkelscherben. Auf dem Weldishof, hatte ich mit einigen Mennonitinnen – ja, als Mann fühlte ich mich mal wieder wie eine bedrohte Art – über das Thema „Abendmahl“ unterhalten, dann aber nicht Brot und Wein, sondern 3 Sorten wunderbaren Geburtstagskuchens verspeist. Anlass war der 82. Geburtstag von Tante Elfriede. Danke Ruth fürs Backen! Da sehe ich kurz nach Überquerung der Autobahn links das Straßenschild „Friedensstraße“ und dann auch noch das Ortsschild „Friedensdorf“. Anhalten fotografieren, sagt mein freier Wille!
Dann suche ich nach Leuten, die mir das erklären können. Ja, sagt eine Frau am Gartenzaun, das bedeute, dass hier noch nie Krieg gewesen sei. Ein schöner Gedanke, aber ich bin doch skeptisch. Wo kommen Sie her, frage ich, vom Akzent her eher weiter östlich, etwa aus Brandenburg? Nein, aus Sachsen und wenn ich es genauer wissen wolle, solle ich doch jemand Einheimisches fragen.
Auf dem nächsten Grundstück ein Einheimischer, eher schwäbisch klingender Mensch. Ja, das käme daher, dass hier nach dem Krieg, Heimatvertriebene angesiedelt worden seien. Also Menschen, die im Krieg und vor allem danach Schlimmes erlebt hatten. Eine eher gegenteilige Erklärung. Das Fehlen von Frieden, die Sehnsucht nach Frieden ließ sie diesen Ort Friedensdorf nennen. Letztes Jahr habe man 60 Jahre Gründung des Dorfes gefeiert. Er selber sei ja von hier, die meisten der damals Angesiedelten lebten nicht mehr, aber manche der Nachkommen seien noch da, viele seien aber auch weggezogen und hätten die Häuser verkauft. Und nächste Woche feiere man 50 Jahre Friedenskirche, die habe 1959 der Sohn vom Brauereibesitzer bauen lassen. Wenn ich mehr wissen wolle, solle ich einen Einheimischen fragen.
Ich radele weiter die 30 m zum Ortsausgang, links die Sudetenstraße hoch zum Kirchlein. Die Tür ist offen. Am Eingang erfahre ich noch mehr Details der Kriegs- und Friedensgeschichte dieses Ortes. Am 16.5.1648 wurde hier die letzte Schlacht des 30jährigen Krieges gefochten und es gab nochmal 2.000 Tote auf seiten der „Verteidiger der Heimat“, die Todeszahlen der „Angreifer“ werden nicht genannt.
Fast 300 Jahre später dann, am 26.4.1945, sollte das nahe Zusmarshausen von hier aus „in Schutt und Asche geschossen werden“. In letzter Minute sei das durch Gebet verhindert worden.
Am 2.8.1959 wurde die Kirche eingeweiht „zu Ehr und Dank der Himmelskönigin, der Mutter der Barmherzigkeit, der Helferin der Christen, der Königin des Friedens“.
An der Außenwand der Kirche das Grab des Priesters Leopold Schwarz, „Erbauer dieses Kirchleins“, gestorben 19.5.1960, weniger als ein Jahr nach der Einweihung.
Man mag von Marienfrömmigkeit halten, was man will – mich beeindruckt das Ganze. Neben verschiedenen Heiligen, die auf den bunten Glasfenstern dargestellt werden, findet sich auch ein Bild von Pater Rupert Maier, im „3.Reich“ mehrfach wegen regimekritischer Predigten im Gefängnis und dann im KZ Sachsenhausen. Nur wenige Wochen nach Kriegsende starb er während einer Predigt.
Im Chorraum ein Rundfenster mit der Darstellung einer Taube – Sinnbild des göttlichen Geistes und des Friedens.
So findet der Name dieses Ortes verschiedene Erklärungen und hat schon als bloßer Name eine Wirkung. Wieviel mehr kann er wirken, wenn alle die ganze Geschichte hören und sie mit der biblischen Geschichte verbinden. Hoffentlich werden alle Einwohner zum Jubiläumsgottesdienst geladen. Gott lädt alle ein zu seinem großen Friedensfest und in sein neues Jerusalem, die Stadt des Friedens.
Ach ja, 5 Störche hab ich auch noch gesehen unterwegs. Auf einer frischgemähten Wiese suchten sie Futter. Aber 4 flogen weg, als ich näher kam, und auch der einzig bleibende, ließ mich nicht so nahe rankommen, dass ein gutes Foto rausgekommen wäre.
26. Juli 2009 von Wolfgang
1 Reaktion zu “Wie ich das Friedensdorf entdeckte …”
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