Ein musikalisch gelungener Abend
Im Programm des Augsburger Hohen Friedensfestes besuche ich heute, 4.8.09, ein Konzert mit der der US-Jazzsängerin Ronell Bey. Es sind ja nur ein paaar Schritte hinüber nach evangelisch St. Ulrich. Das Konzert gehört zum Projekt „Common language, common sense“. Der Augsburger Vibrafonist Wolfgang Lackerschmid als Initiator sagte zur Eröffnung, er sei nun seit 20 Jahren unterwegs mit Musikern verschiedener Religion und es habe nie Probleme gegeben. Für das Projekt zum Friedensfest habe er bewusst in den verschiedenen Weltreligionen beheimatete Musiker ausgesucht. Heute Abend ein Jude, ein Buddhist, zwei Vertreter afro-amerikanischer christlicher Denominationen. Und Jazz sei ja vom Wesen her gut gelaunt und friedlich.
Musikalisch ein gelungener Abend – die Künstler spielen auf hohem Niveau. Und alle haben in fast jedem Stück ausführlich Gelegenheit zur Solo-Improviation. Neben Stücken u.a. von Duke Ellington und Marvin Gaye darf der israelische Pianist ein Stück allein am Klavier spielen und Lackerschmid improvisiert über einen Choral auf seinem Vibrafon, nicht ohne zuvor in einer Überleitung darüber räsoniert zu haben, im bayrischen Rundfunk gäbe angeblich immer noch eine Regel, dass evangelische und katholische Komponisten paritätisch gespielt werden müssten, was denn ein Rentner auch überwache und gegen Verstöße protestiere. Auch müssten sich an Kirchenmusik Interessierte leider vor dem Studium entscheiden, ob sie evangelische oder katholische Kirchenmusik studierten. Denn damit seien sie für alle Zeiten festgelegt. Es sei zwar katholisch aufgewachsen, habe aber immer in der Kirche auch Bach gehört, darum spiele er jetzt auch diesen Bach-Choral „Nun bitten wir den Heiligen Geist“. – Da irrt jedoch Gäng-Gäng, wie Sängerin Ronell ihn nennt. Das Stück ist definitiv nicht von John Sebastian, sondern mindestens schon 1524 in Wittenberg bezeugt.
Musikalisch sind sie perfekt, der japanische Drummer Akira Tana, der israelische Pianist Roy Assaf, der US-Bassist John Lee, die Sängerin Ronell Bey aus USA und der Augsburger Vibrofonist. Doch ein Funke will nicht recht überspringen, weder zwischen den Musikern noch zum Publikum. Wiederholt kommt es zu Missverständnissen auf der Bühne, so scheint die Sängerin zunächst nicht einverstanden mit den ausführlichen Soli aller Beteiligten. Auch die Erläuterungen Lackerschmids zum Augsburger Friedensfest, zum multireligiösen Anliegen des Projektes bleiben blutleer und inhaltsarm. Multireligiosität an sich ist eben noch keine Botschaft.
Als die Sängerin gegen Ende noch ein Happy Birthday Mr President ins Mikro haucht, klatscht es nur vereinzelt und das Lied wird nicht angestimmt. Das letzte Lied schließt Ronell mit einem „Amen“. Worauf sie von Gäng Gäng motiviert wird, das bekannte Spiritual „Amen“ zu singen. Das geht denn auch ordentlich ab und Teile des Publikums klatschen und singen hörbar mit, doch es ist mühsam und in meiner Umgebung scheine ich der einzige Sänger zu sein. Nur einzelne erheben sich.
Ein musikalisch wertvoller Abend, aber spirituell wenig mitreißend und eher wüstenhaft. Das Friedensfestprogramm 2009 leidet anscheinend nicht nur darunter, dass es von mehreren Wochen auf wenige Tage zurückgestutzt wurde. Das Programm hat stark musikalische Schlagseite. Doch es fehlen die vielen unabhängigen kirchlichen und nicht-kirchlichen Gruppen, die zuvor unter einem gemeinsamen Oberthema zu Beiträgeneingeladen waren. Das eigentliche Dilemma scheint jedoch darin zu liegen, dass authentische Spiritualität vor lauter Multireligiosität nicht gewagt wird. Zudem scheint es auf christlicher Seite nur die beiden „Großkirchen“ zu geben. Ach, du hohes Friedensfest. Da war der gute Hassan Dyck kürzlich in der Kresslesmühle doch spirituell und ökumenisch und existenziell wesentlich herausfordernder.
Und schade, ich hätte gerne Barack Hussein Obama zum Geburtstag ein Ständchen gesungen.
4. August 2009 von Wolfgang