Ich komme aus dem trotz Schließung zum Jahresende mollig geheizten Woolworth und stehe in der eiskalten Winterluft. Vierstimmig entfernt klingt Tochter Zion. Konservenmusik vom Christkindelmarkt? Nein, es hört es sich gut an. Ich laufe in Richtung der Musik. Nach wenigen Metern stehe ich vor einer 5-köpfigen gemischten laut melodischen Gruppe. Zwei große Tafeln sagen, das Geld geht an die Augsburger Tafel. Der Gruppengrößte winkt, er singt Bass, mit einer roten Nikolausmütze. Mitsingen, mitsingen! Eine Frau löst sich aus der Gruppe, gibt ihre Zipfelmütze ab und läuft weiter. Ich setze die Mütze auf und singe mit. Doch in welcher Tonlage? Am besten Bass, doch dessen Töne kenne ich zu wenig. Ob ich die Notenblätter so schnell begreife oder dem Nebenmann so schnell hinterhersingen kann? OK, ich wechsle zur Melodiestimme, auch wenn es mir bei manchen Liedern – O du fröhliche – echt zu hoch raufgeht. Ich singe tapfer mit. Immer wieder werfen Passanten lieber Geld in die aufgestellte Kiste, als mitzusingen. So macht sich die Einladung zum Singen bezahlt.
Mit wem singe ich hier? Ich wende mich zu dem jungen Mann links neben mir. Ich setze zur Frage an, da fällt mein Blick auf sein Namensschild: Aha, ihr gehört also zu den Heiligen der letzten Tage!
Macht nichts. Fröhliche Lieder singen. Vierstimmig den kommenden Christus als Erlöser und Befreier begrüßen, das geht mit allen. So wird es wohl sein, wenn er demnächst oder dereinst kommt. Aus allen Ecken und Richtungen werden sie ihm Willkommen singen. Aus verschiedenen Gesangbüchern. Ein Chor, der noch nie miteinander gesungen hat.
Stille Nacht, heilige Nacht … ausgerechnet in diesem Lied vibriert mein Händi und klingelt immer lauter. Hallo Kurt, ja kein Problem, geht in Ordnung, kannst du machen. Du, ich sing grad Weihnachtslieder in der Fußgängerzone mit den Mormonen.
Bevor ich gehe, darf ich ein Wunschlied nennen. Es ist ein Ros entsprungen … von Jesse kam die Art … mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht. Sie sagen mir, sie singen auch in der Gemeinde singen und ich darf kommen.
Ja, ich weiß, wo eure Kirche ist. Vielleicht komme ich mal vorbei. Danke erstmal, dass ihr hier gesungen habt und ich mitsingen durfte.
19. Dezember 2009 von Wolfgang