Ausstellung „Divine Connections“ im Rahmen des Augsburger Hohen Friedensfestes
Zeughaus, Toskanische Säulenhalle, noch bis 30.9.2010
Kuratorin: Mirela Ljevakovíc
Unmöglich, dass die Stadt hier quasi Religionskritik von oben betreibt, so hatte ich zunächst empört gedacht, als ich im Programm des Augsburger Hohen Friedensfestes 2010 sah, dass von der Stadt verantwortet, die Ausstellung „Divine Connections“ gezeigt wird.
2009 hatte ich in München in der „Plattform 3 – Räume für zeitgenössische Kunst“ die Ausstellung „Belief Unlimited“ gesehen. Sie zeigte gefühlt 60 % dieselben Exponate und Installationen, näher betrachtet sind aber nur 3 Exponate dieselben. Damals war ich beeindruckt, vor allem von dem blubbernden Ölfass mit Griffen aus vergoldeten Christusfiguren und UN-Logo als Kommentar zum UNchristlichen Konzept „Schutzpflicht“/“Responsibility to Protect“. Eine Installation von Bernd Schmelzer. Aber, so dachte ich jetzt, es ist doch etwas anderes, ob eine „alternative“, wenn auch öffentlich geförderte Galerie, radikale Kirchenkritik treibt oder ob eine Stadtverwaltung sich quasi amtlich kirchenkritisch bedienen lässt, vor allem in Augsburg, wo die causa Mixa noch nicht überwunden ist.
Doch ich wollte mit eigenen Augen sehen – berühren darf man hier nicht. Und die Ausstellung ist einfach wieder zu gut, als dass ich nicht amüsiert, begeistert und betroffen verweile. Dabei fehlt das Ölfass. Aber ich sehe und höre mindestens drei ganz starke Exponate, neben einigen auch ziemlich starken „Kleinigkeiten“.
Zwischen zwei Christentümern
„If I wasn’t Muslim“ singt ein sich als bosnischer Muslim ausgebender Sänger zur Melodie „If I was a rich man“/“Wenn ich einmal reich wär“. Leider ist der Text des sakarkastisch verfremdeten Songs nicht gut zu verstehen, weil der Lärm der anderen Exponate den Videoton überlagert. Laut Auskunft der Hallenaufsicht ein von der Kuratorin gewollter Effekt. Die verstehbaren Fetzen handeln von der muslimischen Kriegserfahrung in Bosnien, vom Eingezwängtsein zwischen zwei Christentümern, die einander in Nationalismus nicht nachstehen … Damir Niksics Video von 2004 ist auch youtube zu sehen – mit dem vielsagenden Vermerk: „Für dieses Video wurde das Hinzufügen von Kommentaren deaktiviert.“ So höre ich nun, dass der Text v.a. von all den „christlichen“ Stereotypen der slavischen Brüder handelt. Und schließlich ist der Text nachzulesen auf der Netzseite von Damir Niksic.
Gebetsruf vom Großmünster
Dann ein Aktionskunstwerk aus der Schweiz, dessen Doku als Video abläuft und durch eine Installation verstärkt wird. Das Soundbombenprojekt des Künstlers Johannes Gees: ein Protest gegen das per Plebiszit herbeigestimmte Minarettverbot – eine einsame Stimme gegen die vox populi = vox dei, rechtzeitig vor der Abstimmung 2007 realisiert. Per Video lässt Gees sich beobachten, wie er an prominenten Schweizer Kirchtürmen Soundbomben anbringt, ebenso auf dem Ebenstein in den Appenzeller Bergen – so werden Nationalheiligtümer zu Aktionskunstwerken. Wendeltreppen, Seilbahn, Bergwege bringen Gees zum „Tatort“.
Die Soundbomben sind schwarze Kästen, in die Gees Lautsprecher einbaut und Zeitschaltuhren. Jeweils zur muslimischen Gebetszeit geht die Bombe los und es erschallt „Salat“ – der islamische Gebetsruf in einer Aufnahme vom Minarett der Hauptmoschee in Mekka. Wahrlich, eine Installation fast Sattlerschen Ausmaßes! Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Im Video laufen auch einige Reaktionen von Passanten vor dem Berner Münster oder dem Zürcher Großmünster. Am schönsten das verhuschte Lächeln und dann Wegducken einer Muslimin mit Kopftuch. Außerdem in der Ausstellung zu besichtigen, sauber gerahmt aufgehängt, die sehr amtliche Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Zürich zur Einstellung eines Verfahrens auf die Klage eines in seinem religiösen Empfinden gestörten Bürgers – Realsatire ist nichts dagegen. Das Video gibt’s auch im Netz. In Augsburg klingt aus dem sich drehenden Lausprecher ab und an auch noch ein Ave Maria.
Synagode und Hallenbad
Am krassesten aber jüdische Aktionskunst von Noam Braslavsky „Dysonans Poznania, Undercover, N.B.L.“ In der Stadt Poznan im deutsch besetzten Polen verwandeln die Nazis eine Synagoge in ein Hallenbad, das anscheinend heut‘ noch existiert. Die Aktionisten treten dort ein: reihenweise kippen Männer und Frauen ins Wasser. Man sieht einen Mann den Gebetsriemen anlegen. Eine jüdische Hochzeit wird unter Wasser zelebriert, ebenso eine Beschneidung … grotesk die langsam tauchenden Bewegungen … ich assoziiere beim Schauen Bilder des Holocaust … Feuer und Wasser … reinigende Elemente … grotesk und geil, weil die nassen Kleider am Körper kleben … Genitalien werden nicht nur in der Beschneidungszeremonie sichtbar … im Abspann ist VW Poznan als Sponsor genannt.
Kleinigkeiten und Beziehungen
Hier und da eine Kleinigkeit – etwa ein Plastikpüppchen im weißen Kleidchen umgeben von einer kleinen Glaskugel – was soll das, frage ich, bis ich die Blutspritzer auf dem weißem Kleidchen seh.
„Divine Connections“, muss das sein? „Göttliche Beziehungen“ klingt doch auch nicht schlecht. Divine Connections brauchte es sicher nicht, diese Ausstellung im Friedensfestprogramm zu installieren. Eher irdische Beziehungen in die Augsburger Kulturverwaltung werden gereicht haben.
Und im Gästebuch fragt einer, warum es keine Augsburger Bezüge gebe.
9. August 2010 von Wolfgang
2 Reaktionen zu “Einfach zu gut”
sehr schöner Artikel, nun würde ich gerne die Videos sehen, wenn du dir schon die Mühe gemacht sie rauszusuchen, warum verlinkst du sie hier denn nicht?
OK, ich bau die links ein, ich dachte, das sei vielleicht rechtlich problematisch. Ich hab auch noch einen Anruf der Austellungskuratorin erhalten, dass es nur 3 Exponate aus der Münchner Ausstellung hat und nicht 1 Drittel