Ein echtes Bonbon im aktuellen Friedensfestprogramm war der 2. Augsburger Predigtslam am 26.7.12, wie schon der 1. Predigtslam veranstaltet von Biblia Viva Augusta und vom städtischen Projektbüro Frieden und Interkultur. Das Kabarett Kresslesmühle hat zwar keine Kanzel, aber das kommt meinen antiklerikalen Neigungen ja entgegen. Engagiert moderiert wurde der Slam von der Journalistin Sybille Schiller, musikalisch umrahmt am Klavier von ihrem Ehemann Heinrich Schiller. Weiteres im Artikel der Augsburger Allgemeinen vom 28.7.12.
http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Frieden-in-sieben-Minuten-id21265606.html
Ich wurde als zweiter Prediger ausgelost. Frau Schiller fragte mich, was meine Emailadresse zu bedeuten habe wolf-ÄT-loewe-und-lamm.de. „Nur Geduld“, sagte ich, „Sie werden es gleich in meiner Predigt erfahren.“ Wer mich schon predigen gehört hat, weiß, wie schwer es mir gefallen ist, mich auf 7 Minuten zu beschränken. Ich hatte jedoch einen Trick parat. Exakt als ich zum Schlusswitz ansetzen wollte, waren die 7 Minuten um. Doch Publikum und Moderatorin wollten die Geschichte vom durch einen Löwen verfolgten Missionar unbedingt noch hören. Als alle 5 Prediger und 2 Predigerinnen ihre 7 Minuten gepredigt hatten, zog die Jury sich zur Beratung zurück. Und als sie wieder kamen verkündeten Frau Schiller und Alois Knoller von der AZ die Preisträger. Und tatsächlich hatte ich den 2. Preis gewonnen. Was bin ich stolz! Natürlich nur im Rahmen der angebrachten christlichen Demut.
Für alle, die meine Predigt nachlesen wollen, hier der Text.
Slampredigt
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Ps 23, 5a
Der Zirkus ist in der Stadt. Ein Pfarrer besucht die Vorstellung. Atemberaubende Artistik, wilde Tiere, nervenzerfetzende Dressuren. In der Pause Tierschau. Dort sieht er, was ihn zunächst sprachlos macht. Als er die Sprache wiederfindet, spricht er einen Wärter an: Guter Mann! Löwe und Lamm in einem Käfig! Hier im Zirkus Realität, was in der Bibel für die letzte Zeit, das Eschaton, verheißen ist. Wie machen Sie das? – Der Wärter antwortet: Nun Herr Pfarrer, wir nehmen jeden Tag ein neues Lamm.
Der Profet Jesaja schaut eine Zukunft, das wusste der Pfarrer, wo Schwerter zu Pflugscharen werden. Jes 2/Mi 4. Wo Löwe und Lamm, Kuh und Bärin, Wolf und Zicklein miteinander weiden, ein Kind mit Schlangen spielt und die Tiere hütet. Niemand tut mehr Böses und es gibt kein Verbrechen mehr auf dem heiligen Berg Gottes. Denn das Land ist erfüllt mit Gotteserkenntnis wie das Meer mit Wasser. Jes 11
Doch passen die Realitäten dieser Welt zur Vision der Profeten. Es gab viel Streit unter den Theologen über diese Friedensverheißungen. Sollen sie heute schon gelten und umgesetzt werden? Oder gelten sie für eine zukünftige Zeit? Sind sie menschenmachbar oder nur durch endzeitliche Intervention Gottes zu verwirklichen? Gelten sie gar nur für eine transzendente Realität, in die die Auserwählten entrückt oder nach dem Tod versetzt werden?
Sind das Alternativen, die sich gegenseitig ausschließen? Gibt es einen Schnittpunkt von gegenwärtiger Wirklichkeit und zukünftiger Verheißung? Wird es Frieden geben auf Erden?
„Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“, heißt es im 2.Teil von Ps 23
Der 1. Teil beschreibt eine Hirtenidylle: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ Ich hab das mal auswendig gelernt und bin damit wohl nicht alleine hier.
Alles ok, Schutz, Nahrung, Essen & Trinken, seelisches Gleichgewicht, Wegweisung … Leib und Seele – der gute Hirte sorgt für alles.
Doch dann der Umschlag. Die Idylle wird zum Horror, unsere reale Welt kommt in den Blick. Dabei hört sich das auf Lutherdeutsch noch so schön an: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück.“
Doch nicht irgendein schlecht beleuchtetes Tal ist gemeint. Martin Buber übersetzt: „Auch wenn ich gehen muss durch Todschattenschlucht …“ Es ist der Tod, in dessen Tal wir nur noch Schatten sein werden. Ist es naiv, dass der Beter des Psalms auch im dunklen Tal der Todesschatten kein Unglück, nichts Böses fürchtet? Dass er auch hier Trost findet im Schutz des Hirten? „Denn du bist bei mir, dein Stab, deine Stütze – die trösten mich.“ (Buber)
Nun wird der Hirte als Du angesprochen. Du bist da. Und nocheinmal heißt es Du. „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“
Dem Tod werden wir alle begegnen. Wenn es nur das wäre. Aber auch unser Leben ist vom Tod gezeichnet. Noch ist der Mensch des Menschen Wolf, noch weiden Wolf und Lamm nicht zusammen. Noch gibt es Kriege und Bürgerkriege, Feindbilder und Panzer werden produziert und verkauft. Sie heißen Luchs und Leopard und Wiesel. – Noch gibt es Menschen, die mir feindlich begegnen. Noch werde ich selbst als Feind erlebt. Noch wird gekämpft um Karriere und Interessen, noch gibt es Rivalität und Eifersucht …
Aber ich höre dieses Lied vom guten Hirten, der mir den Tisch deckt im Angesicht der Feinde. Der für Weide sorgt angesichts der Bedrohung durch wilde Tiere.
„Ich bin der gute Hirte. Ich bin der Weg, die rechte Straße. Ich bin das Brot. Ich bin der Weinstock.“ So spricht Jesus im Johannesevangelium. Hier liegt der Schnittpunkt von Realität und Verheißung. Jesus ist die humanitäre Intervention Gottes in diese Welt der Gewalt und des Krieges. Unbewaffnet geht er seinen Feinden entgegen, gewaltfrei geht er ans Kreuz und besiegt dort die Gewalt des römischen Reiches. Seine Freunde sehen das zunächst als Niederlage, doch dann begegnet er ihnen als Auferstandner.
Und als Auferstandener begegnet er auch seinen Feinden, etwa dem Saulus, dem Feind und Verfolger der frühen Christen. „Saul, Saul, warum verfolgst du mich. Komm auf meinen Weg der Weg der Feindesliebe und Gewaltfreiheit.“ Saulus folgt der Einladung. Überall gründet er neue Tischgemeinschaften nicht nur im Angesicht der Feinde, sondern mit den Feinden. In der Nachfolge Christi bekräftigt Paulus die alte jüdische Maxime: „Wenn dein Feind hungert, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken.“ Röm 12,20/Spr 25,21
„Du deckst mir den Tisch, vor den Augen meiner Feinde.“ Dieser Tisch mündet in das große Festmahl, wo sie kommen werden von Osten und Westen, von Norden und Süden und zu Tische liegen im Reich Gottes. Ich hab das selbst erlebt in vielen Tischgemeinschaften im Friedensdienst in den Zerfallskriegen von Jugoslawien in den 1990er Jahren. – Die Friedensfesttafel am 8. August – ich erlebe sie jedes Jahr neu als Vorwegnahme des verheißenen Festmahls aller Völker.
Das große Festmahl – Schnittpunkt von Realität und Verheißung. Jesus von Nazareth lädt uns an seinen Tisch heute schon so zu leben, wie es einst alle Völker tun werden: neue Menschen sein, neue Menschheit, die Zeit vorwegnehmen, in der kein Krieg mehr sein wird. Vielleicht fängt es damit an, dem Bundespräsidenten zu widersprechen, der zum Antrittsbesuch bei der Bundeswehr meinte, in Deutschland herrsche eine Glückssucht und darum wisse man den Lebenseinsatz der Soldaten nicht mehr zu schätzen. Nein, Herr Präsident, zur Suche nach Glück sagt der Herr Jesus: „Glücklich sind, die keine Gewalt anwenden, sie werden das Land besitzen.“ Mt 5,5
Als Hans Leupold, Vorsteher der damals illegalen Augsburger Täufergemeinde, am 25.4.1528, nur ein paar Schritte von hier vor dem Rathaus, sein Urteil hörte, dass er mit dem Schwert vom Leben zum Tod gebracht werden sollte, rief er aus: „Nicht so ihr Herren von Augsburg, sondern vom Tod zum Leben.“ Vor seiner Hinrichtung schrieb er ein Lied. Darin bittet er Gott um Verzeihung für seine Richter und Henker: „Christus, hilf mir das Kreuz bestehn, vergib ihnen Vater im Himmel, sie wissen nicht, was sie tun!“
So ernst kann ich nicht enden. Darum noch ein Witz.
Sybille Schiller: Halt, die 7 Minuten sind um. Aber, ok, den Witz wollen wir noch hören.
Der ist ziemlich bekannt. Aber gute Witze werden ja durch Wieder-Erzählen nur besser. Er gehört in die heute leider etwas vergessene Gattung der Missionarswitze.
Ein Missionar läuft durch die Wüste. Plötzlich taucht ein Löwe auf und beginnt ihn zu verfolgen. Der Missionar rennt, was er kann. Aber schließlich merkt er, er kann den Wettlauf nicht gewinnen. So betet er ein Stoßgebet: Ach Herr, mach doch, dass es ein frommer Löwe ist. Und das Wunder geschieht. Der Löwe kniet nieder, faltet die Pfoten und beginnt zu beten: Komm, Herr Jesus, sei unser Gast. Amen.
30. Juli 2012 von Wolfgang