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Am Freitag, 15.3.19, war ich zum zweiten Mal in Augsburg mit den Schülern und Schülerinnen fürs Klima demonstrieren. Das erste mal zwei Wochen früher noch inkognito unterwegs, autete ich mich nun als „Opa fürs Klima“ und klebte auch noch ein Foto von meinen beiden Enkeln auf Vorder- und Rückseite meines Schildes. Ich erntete viele anerkennende Blicke und viele nickten mir zu. Einer fragte mich: Was wollen Sie denn auf der Demo? Na ja, sagte ich, meine Enkel haben noch mehr Zukunft vor sich als ich oder auch die heute hier demonstrierenden Jugendlichen. Die beiden Enkel können noch nicht mal laufen, also laufe ich für sie hier mit.

Insgesamt waren wir über 1000 Leute. Zum Abschluss gab es einige Reden, die ganz ohne die üblichen Satzbausteine auskamen, allesamt kurz waren und aufs Wesentliche zielten. Wir wollen, dass sich was ändert in Sachen Klimaschutz und wir fangen selber damit an: Vermeiden von Autofahrten und Flugreisen, Vermeiden von Plastikmüll … Saras Rede kreiste um die Hoffnung, die ihr die Freitagsdemos machen und dass es die Hoffnung, sei die zum Haandeln dränge. – Das ist das Kennzeichen dieser Demos, eine Atmosphäre voll Freude und Hoffnung, das zeigt sich schon in den Sprechchören, laut und lustig, trotz oder gerade wegen des ernsten Themas und der ernsten Lage.  – Kommt mit Opas und Omas, lasst die Enkel und Urenkel nicht alleine.


Unbedingt sehenswert die Ausstellung, 8.3.19 – 28.7.19

El Anatsui. Triumphant Scale

Donnerstag hatte ich in München zu tun. Soll ich noch ins Haus der Kunst? fragte ich mich anschließend. Zeit genug wäre. Ich laufe hin, quer durch die Stadt, merke mal wieder wie weitläufig München ist. Liegt aber auch daran, dass ich zu Fuß unterwegs bin und nicht auf dem Rad, wie sonst in Augsburg. Ok, denke ich, du siehst dir wenigstens mal die Fassadeninstallation von El Anatsui an, dann entscheidest du. Über die Ausstellung von Anatsui hatte ich in der SZ gelesen, Kollagen aus Abfallgegenständen, auch die riesig lange Säulenfront mit Altmaterial verkleidet. Den Namen El Anatsui hatte ich nie zuvor gehört.

Als ich mich durch die Seitzstraße nähere, hab ich die Fassade vergessen und wundere mich über den Anblick. Wo sind die Säulen geblieben? Dann kapiere ich. Aha, die Installation. Ich überquere die vierspurige Prinzregentenstraße und bin nicht so beeindruckt, wie gedacht. Von weitem und aus der Nähe sehen die vielen aneinandergefügten Druckplatten doch nicht so spektakulär aus, wie ich erwartet hatte. Ich investiere aber dann doch 11 € und gehe in die Ausstellung. Meine Erwartung entsprechend heruntergestimmt.

Wegwerfzeug

Und dann bin ich … ganz baff! bewegt! beeindruckt! emotional tief berührt. Kollagen aus Wegwerfzeug hatte ich erwartet. Ja, da ist Wegwerfzeug, Müll. Doch daraus sind gewebeartige Kunstwerke entstanden. Gewebe aus Flaschenverschlüssen, Flaschenverschlussfolien, Konservendosendeckeln. Im größten Raum ein Labyrinth aus Mauern, nein, netzartigen Vorhängen, die sich mal zu Wänden verdichten, mal durchsichtig durchschaubar sind. Die meisten Stücke in wand- oder bodenfüllendem Format, ältere Arbeiten auch in Holz, nur wenige „Skulpturen“, meist auch flächige, aber wesentlich kleinere Gebilde.

Ich gehe durch alle Räume, höre die Texte auf dem Audioguide. Dann gehe ich schnell, hier und da verweilend noch mal und nochmal durch. Am Ende erschöpft und besoffen von den Eindrücken, fast als hätte ich einiges vom Inhalt der Flaschen, von deren Hals das Material meist stammt, genossen.

Die Werke El Anatsuis – ich kann sie nicht beschreiben – so etwas habe ich noch nicht gesehen. Auch die vielen im Internet zu findenden Fotos können sie nicht angemessen wiedergeben. Von weitem sehen sie aus wie gewebte Textilien, Teppiche oder Vorhänge, in eigenartig unregelmäßige Falten gebracht. Mal monochrom, mal leuchtend bunt. In der Nähe offenbart sich das Material als Flaschenverschlussfolien, Konservendosendeckel und ähnliches.  Zu großen Flächen mit Kupferdraht verbunden. Tausende und zehntausende einzelne Stücke zusammengefügt.

Mit Afrika verbündet

Das schafft der aus Ghana stammende Künstler, der jetzt in Nigeria lebt, nicht alleine. An einem Stück würde er sonst zwei, drei Jahre sitzen. Er hat einige Dutzend Mitarbeiter in seiner Werkstadt angestellt. In einer klassischen Bildhauerausbildung an der Khwame-Nkrumah-Uni in Ghana lernte Anatsui das Handwerk. Frühe Arbeiten in Holz zeigen, dass er die handwerklichen Lektionen gelernt hat. Schon immer schöpft er aus den Kulturen der Völker Ghanas und Nigerias. In seinen skulpturalen Webereien und Labyrinthen verbindet, ja verbündet er Afrika mit allen Teilen der Erde, mit dem Universum. Ich werde hineingenommen in diese Erfahrung.

Fasziniert kann ich mich kaum lösen aus der Ausstellung. Am Ausgang bedankt sich die Kartenkontrolleurin für den Besuch. Ich habe zu danken, sage ich, es ist unglaublich beeindruckend. Danke! – Das sagen alle, sagt sie, die  die  Ausstellung sehen. – Beim Zurückgeben des Audioguides bedanke ich mich nochmal an der Kasse. – Ja, das sagen alle! sagt die Frau an der Kasse. Sie verrät mir auch, dass ich mit Bus 100 zurück zum Hauptbahnhof komme.

Übrigens, der Audioguide

Übrigens, der Audioguide ist Senta Berger gesprochen. Er bietet in der deutschen Fassung einen Kommentar zum jeweiligen Kunstwerk oder Raum. Dann gibt es meist noch einen Kommentar für Kinder, einen in Leichter Sprache und schließlich eine Beschreibung des Kunstwerkes für Sehbehinderte.

Hier ist nachzulesen, was das Haus der Kunst zu seiner Ausstellung schreibt https://hausderkunst.de/ausstellungen/elanatsui


AUGSBURGER HOHES FRIEDENSFEST 2018

Wie jedes Jahr seit 1650 feiert Augsburg sein Hohes Friedensfest am 8. August. Diesmal ein Mittwoch. Um 10 Uhr Ökumenischer Gottesdienst in der Basilika St. Ulrich&Afra. Dann teilen auf dem Rathausplatz über 1000 Menschen aus vielen Na-tionen Essen und Trinken. Eine große Friedenstafel als Vorweg-nahme des großen Festmahls am Ziel der Zeit. – Im dreiwöchigen  Rahmenprogramm findet sich auch wieder der legendäre Augsburger Predigtslam, diesmal zu biblisch utopischen Texten. Außerdem ein Vortrag zu Thomas Morus’ Schrift Utopia von 1516, sowie Stadtführungen zur Augsburger Täuferbewegung – jene „andere Reformation“ mit dem damals höchsten Utopiepotential, der aber gerade deswegen kein Ort gegönnt wurde. Weder ein legaler Versammlungsort, noch Bleiberecht in der damaligen „freien“ Reichsstadt.

Herzliche Einladung zu einem Stadturlaub oder Ausflug in die Friedensstadt Augsburg.  Wolfgang Krauß

Das Programmheft findet sich hier: www.friedensstadt-augsburg.de/de/downloadbereich#

Siehe, die Stadt Gottes unter den Menschen

7. Augsburger Predigtslam

 Mi 25.7.18, 19 Uhr, Kulturhaus Kresslesmühle, Eintritt: Spende, Programmheft S. 56

Moderation: Wolfgang Krauß & Sybille Schiller, Veranstalter: Biblia Viva Augustana

Ein paradiesischer Garten. Eine Stadt des Friedens und der Gerechtigkeit. Die Völker pilgern nach Jerusalem, schmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen. Das nahe Reich Gottes. Die Auferweckung Jesu. Utopische Bilder in den biblischen Büchern? – Genug Material für einen Predigtslam. Jede Predigt sieben Minuten.  Es predigen Frauen, Männer, Junge, Alte, mehr oder weniger Bibelfeste … nur theologische Profis ausnahmsweise nicht. Es predigen André Bücker (Intendant Theater Augsburg), Pia Lingner-Böld (Rechtsanwältin), Richard Mayr (Redakteur Augsburger Allgemeine), Iris Steiner (Kulturbüro Steiner), Siegfried Zagler (Herausgeber Die Augsburger Zeitung – DAZ) u.a.

Utopia oder ein vernünftiger Staat muss kommunistisch sein

Vortrag & Gespräch Referent: Prof. Dr. Thomas Nauerth, Bielefeld, Veranstalter: Die andere Reformation

Mi 1.8.2018, 19 Uhr, Hofgarten (bei schlechtem Wetter im Café Neruda), Eintritt: Spende, Programmheft S. 104

„Doch gestehe ich ohne weiteres, dass ich sehr vieles von der Verfassung der Utopier in unseren Staaten eingeführt sehen möchte.“ Thomas Morus Im ersten europäischen Aufklärungsdiskurs zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde neu über Staat und Gesellschaft nachgedacht. Muss alles so bleiben oder könnte man Staat auch ganz anders, gerechter, egalitärer gestalten? 1516 entwarf der englische Jurist Thomas Morus in seinem Roman Utopia einen solchen ganz anderen Staat, der noch keinen Ort (ou topos) in der Menschenwelt hat. – Ob auch wir heute von der Verfassung dieser „Utopier“ für unsere Gesellschaft lernen können, darüber wird zu reden sein.

Utopos – es gab keinen Ort für sie

Stadtführung auf den Spuren der Gartenschwestern und -brüder

Wolfgang Krauß, Veranstalter: Die andere Reformation

Sa 28.7.18, 10 Uhr & Di 7.8.18, 11 Uhr, Dauer: 2-3 Stunden

Treffpunkt: Rathaus Haupteingang, Teilnahme: 10 €, Programmheft S. 89

Gartengeschwister hießen sie in Augsburg, denn sie versammelten sich in Gärten. Anders als Lutheranern und Zwinglianern gab der Stadtrat den Täufern keine Kirchengebäude. 1528 wurden sie sogar aus der Stadt gejagt. Utopos – kein Ort für sie. Die Bergpredigt Jesu lehrte sie Gewaltfreiheit und Feindesliebe. Gegen das Augsbur-ger Bekenntnis sahen sie es nicht erlaubt, Krieg zu führen. – Mit dem Ingenieur Pilgram Marpeck kamen sie 1544 erneut in die Stadt, wegen Marpecks Bedeutung für die Wasserwirtschaft nun halbwegs geduldet. Die Führung folgt ihren „utopischen“ Spuren.

Veranstaltungen im Rahmenprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest 2018 www.friedensstadt-augsburg.de

Die andere Reformation, Wolfgang Krauß,  0152-21627812,   wolf@loewe-und-lamm.de


Täufer beim Katholikentag in Münster,10.-13.5.2018

Von Wolfgang Krauß

Da nun Christus König ist, sowohl über das ganze Erdreich als auch über seine gläubige Gemeinde, […] wie nennt Jan van Leyden sich denn einen fröhlichen König über alles, der der Elenden Freude geworden sei?  Menno Simons, Gegen Jan van Leiden, 1535

Heilung der Erinnerung angesichts eines historischen Traumas

Nicht nur ich werde wohl immer noch mit drei streotypen Rückfragen konfrontiert. Ach, seid ihr die mit Pferd und Wagen? Die mit den vielen Frauen? Die Terrorsekte von Münster? Gegen populäre Romane und TV-Verfilmungen, gegen den Gruseleffekt der Käfige am Lambertikirchturm in Münster haben es die zahlreich vorhandenen seriösen Forschungen schwer. – Umso mehr elektrisierte mich die Einladung zur ökumenischen Vorbereitungsgruppe zum 101. Katholikentag 2018 in Münster. Ein Katholikentag! In Münster! Zum Thema „Suche Frieden!“ Schon in der Vorstellungsrunde des ersten Treffens meinte ein lutherischer Teilnehmer, die Täufer müssten ins Programm und „Die Käfige müssen weg!“

Erstmals seit 1535

Auf Initiative der Programmleitung kam der Vorschlag, statt eines zunächst geplanten kur-zen Gebets am Ende eines Podiums ein Mit-tagsgebet in St. Lamberti zu gestalten. Erstmals seit 1535 die Käfige mit den hingerichteten Täuferführern an den Kirchturm gehängt wurden waren, sollten Katholiken, Lutheraner und Täufer miteinander beten. – Vieles fügte sich zusammen. Doch da es zeitgleich eine Europäische Mennonitische Konferenz in Montbeliard gab, waren nur wenige wenige Mennoniten in Münster. Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) war informiert, aber in Frankreich. Aus den Niederlanden war Ybele Hamstra vom Vorstand der Algemene Doopsgezinde  Sociëteit angereist. Einige Mennoniten kamen aus Gronau, den ostfriesischen Gemeinden und anderswo.

Gespräch unter den Täuferkäfigen

Freitag, 11.5.18, in der Mitte des Katholikentags, war der Täufertag. Das Podium am Vormittag sah alle 140 Plätze eines Saals in der Bezirksregierung besetzt. Hier am Domplatz, nahe der Stelle, wo König Jan van Leiden damals Hof gehalten hatte, traf man sich jetzt zum „Gespräch unter den Täuferkäfigen“ Ralf Klötzers präzises Einführungsreferat skizzierte Kontext und Stationen der Täuferherrschaft. Wolfgang Krauß moderierte das anschließende Gespräch. Die mennonitische Theologin und Sozialpsychologin Andrea Lange brachte ihre Erfahrung als Teilnehmerin am lutherisch-mennonitischen Dialog in Deutschland und am Dialog zwischen Vatikan und Mennonitischer Weltkonferenz ein. Der katholische Historiker Hubertus Lutterbach, der in Band 3 der fünfbändigen Geschichte der 1200 Jahre des Bistums Münster die 16 Monate(!) der Täuferherrschaft darstellt, betonte die Fremdheit jener Zeit. Man müsse sie erst heranzoomen. Der lutherische Kirchenhistoriker Christian Peters vom Institut für Westfälische Kirchengeschichte stellte die Vielgestaltigkeit der Reformation heraus. Zahlreiche Rückfragen und Gesprächsbeiträge aus dem Publikum schlossen das Podium ab. Lloyd Hoover aus USA meinte, in Münster sei etwas gründlich schiefgegangen, eine falsche Betonung des Geistes habe zu einer bis heute (nicht nur) unter Mennoniten anhaltenden Furcht vor dem Wirken des Geistes geführt. Er hoffe, ausgehend von den heutigen Impulsen, komme es zu einer neuen Geisterfahrung in allen Denominationen. – Einig war man sich in dem Fazit, die Geschichte müsse anders erzählt werden.

Lambertikirchturm mit Täuferkäfigen und Katholikentagsbanner

 

 

Gott und einander um Vergebung bitten

Der größte Teil des Publikums kam mit in die nahe Lambertikirche. Schnell waren alle etwa 500 Plätze besetzt. Eingerahmt vom römisch-katholischen Stadtdechanten Jörg Hagemann und dem evangelischen Superintendenten Ulf Schlien standen drei Mennoniten vor dem Altar: Jacob Schiere, Architekt und Hilfswerksarbeiter aus den Niederlanden, Keith Blank, Distriktsbischof der Lancaster Mennonite Conference, aus USA und Andrea Lange, mennonitische Sozialpsychologin und Theologin aus Mainz.

Zu Beginn verdeutlichte Andrea Lange die Absicht des Gebets: „Gott und einander um Vergebung bitten für die wechselseitige Gewalt und Verfolgung zwischen römisch-katholischen, evangelischen und täuferischen Christen in Münster …, historische Schuld bekennen, um Heilung der Erinnerungen beten, Gottes Versöhnung erbitten und einander zu weiteren Schritten der Versöhnung ermutigen.“ Dazu passte der Liedruf „Kehret um und ihr werdet leben“.

Es folgten Grundinformationen zur Täuferbewegung im Kontext der Reformation und die besondere Entwicklung in Münster. Erwähnt wurde auch Menno Simons’ Verarbeitung Münsters in Richtung eines gewaltfreien Christuszeugnisses. Die weitere Liturgie zitierte die ökumenischen Dialoge unserer Zeit.

Jörg Hagemann, Keith Blank, Andrea Lange, Jacob Schiere, Ulf Schlien mit Musikern

 

Klage, Schuldbekenntnis, Versöhnung

Ein Klageteil benannte die „Opfer der Gewalt  während der Belagerung Münsters … durch die Truppen des katholischen Fürstbischofs und … des protestantischen Landgrafen von Hessen“. Beklagt wurde auch die Gleichsetzung aller Täufer mit dem Täuferreich in Münster und ihre Verfolgung als Aufrührer. Die Käfige wurden beklagt als Zeichen feudaler Herrschaft. Beklagt wurde die Verweigerung eines christlichen Begräbnis-ses für Jan van Leiden, Bernd Knipperdollinck und Bernd Krechtinck.

Den Klagen gegenübergestellt wurde die Bitte an Christus, uns heute zu helfen „den Opfern von Krieg und Terror … beizustehen und auf friedliche Konfliktlösungen hinzuwirken,… die anderen Konfessionen ohne Vorurteile wahrzunehmen, … Gewalt nicht mit Gewalt zu beantworten.“ Die Klage endete mit der Feststellung, der Anblick der Käfige verstöre auch heute. Sie Käfige sollten nicht mehr als Zeichen der Unversöhnlichkeit verstanden werden, sondern als Mahnung für den Frieden. Nie wieder sollten Christinnen und Christen Gewalt gegeneinander anwenden.

Nach Lesung von 2 Kor 5,17-20 folgten Schuldbekenntnis und Versöhnungsbitten. Ulf Schlien wiederholte die Bitte des Lutherischen Weltbundes von 2010 um Vergebung für die lutherische Verfolgung der Täufer. Jörg Hagemann bekundete mit Johannes Paul II. Bußbereitschaft, die Bitte um Vergebung und die Hoffnung auf eine neue Beziehung zu den Mennoniten. Jacob Schiere sprach davon, wie der Geist der Buße in den ökumenischen Dialogen uns Mennoniten bewegt habe. Auf Münster bezogen sagte er: „Hier und heute in Münster bedauern wir als Mennoniten die Worte und Taten der damaligen Täufer, die zum Zerbrechen des Leibes Christi beigetragen haben. Wir bedauern das vielfältige Leid, das den katholischen und lutherischen Schwestern und Brüdern durch die Täufer zugefügt wurde. Die Gewalttaten der Täuferführer in Münster erscheinen uns heute als extreme Folgen einer Fehldeutung des Evangeliums.“ Auf die Schuldbekenntnise antwortete die Versammlung: „Herr, Jesus Christus, wir bitten dich, unseren Gemeinschaften Heilung der Erinnerungen, Umkehr und Versöhnung zu schenken.“

 Jörg Hagemann meinte, nicht alle Fragen seien geklärt, Dissens gebe es noch zu den Themen „Taufe“ oder „Gewaltausübung“. Doch gemeinsam sei man „berufen, Friedensstifterinnen und Friedensstifter zu sein“. Damit zitierte er den Titel des Dokuments zum katholisch-mennonitischen Dialog.

Miteinander forderten alle fünf die Versammlung auf mit aller Kraft für den Frieden Christi einzutreten. „Fangen wir hier in der Kirche St. Lamberti damit an. Geben wir einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung!“ Das gemeinsame Vater Unser und das Segenslied „Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen“ beendeten das Mittagsgebet.

Ökumenische Engel im Hintergrund?

Die Liturgie war in den Monaten zuvor im Zusammenwirken von Michael Kappes, Ökumenebeauftragter der Diözese Münster, Lioba Speer aus der Programmleitung des Katholikentages und Wolfgang Krauß erarbeitet worden. Es gab Zweifel, dass sie in den vorgesehenen dreißig Minuten zu schaffen sei. Passte sie auf die Sekunde, weil im Hintergrund ökumenische Engel die Zeit angehalten hatten?

Zukunft der Taufe … und der Kirche?

Das Nachmittagspodium „Zukunft der Taufe – Zukunft der Kirche?“ in einem Hörsaal der Uni war mit etwa 150 Interessierten wiederum voll besetzt. Moderiert wurde es von der katholischen Religionspädagogin Gabriele Lachner zusammen mit Wolfgang Krauß. Biographische Zeug-nisse entfalteten zu Beginn Erleben und Verständnis der eigenen Taufe: Markus Kohring (ev.-luth.), Sabine Tolzin (baptistisch), Aria Patto (chaldäisch-katholisch), Marianne Cornelsen-Ulrich und Helmut Hamm (mennonitisch).

Einleitende theologische Impulse gaben Andrea Lange und Weihbischof Reinhard Hauke aus Erfurt. Es kam jedoch weniger zu einem Dialog über täuferische und katholische Lehre und Praxis der Taufe. Vielmehr schilderte Hauke die Praxis der Verkündigung des Evangeliums in der post-christlichen Ex-DDR-Gesellschaft, in der die meisten nicht getauft sind. In einem mehrstufigen Prozess werden Menschen eingeladen zum Glauben, verschiedene Entscheidungsschritte werden gefeiert und schließlich Taufe und Kircheneintritt als Gemeindefest begangen. Wiederholt sei zu hören gewesen: „Schade, dass ich schon als Kind getauft wurde.“

Aus dem Publikum meldeten sich vor allem katholische Pfarrer und Gemeindereferentinnen mit Problemanzeigen einer bröckelnden Volkskirche auch in katholischen Milieus im Westen zu Wort. Lässt sich angesichts schwindender katholischer Religiosität in vielen Familien deren Wunsch nach der Taufe ihrer Kinder noch rechtfertigen? Wie lassen sich säuglingsgetaufte Katholiken zu einer Entscheidung für das Evangelium und die Nachfolge Jesu motivieren? Wie kann Taufe aus dem Rand des Gemeindelebens in dessen Mitte gelangen?

Anabaptist Connections

Zur Genese von „Gepräch und Gebet unter den Käfigen“ gehört die Beziehung zur Gruppe „Anabaptist Connections“ in USA. Einige charismatisch gestimmte Mennoniten und Amische arbeiten darin seit mehr als einem Jahrzehnt zum Thema Versöhnung und Heilung der Erinnerungen. Sie identifizieren sich mit historischen Traumata und ihren kollektiven geistlichen Folgen bis heute. Infolge des Traumas von Münster sei es zu einer täuferischen Abneigung gegen Prophetie, Eschatologie und Pneumatologie gekommen, zu einem allgemeinen Misstrauen gegen Wirkungen des Geistes. Dies behindere bis heute die Entfaltung der eigenen Identität – aus einer mis-sionarisch herausfordernden Gruppe seien harmlose religiöse Dissidenten geworden.

Porträt Jan van Leidens am Rathaus und Katholikentagsbanner „Suche Frieden“

 

Täufer treffen Nachfahren des Fürstbischofs

Am Vorabend des Täufertages hatte es auf Initiative einer Nachfahrin des Fürstbischofs Franz von Waldeck einen Empfang im Drostenhof Wolbeck gegeben. In Wolbeck hatte der Fürstbischof sein Quartier, ebenso sein militärischer Befelshaber Dirk von Merveldt. Dieser spielte eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung Münsters, er soll Jan van Leiden festgenommen haben. Der Bischof überließ ihm einen Großteil der Täuferbeute. Daraus konnte er den Drostenhof bauen. Immer noch im Besitz der Familie Merveldt war das Schlösschen nun Schauplatz einer Begegnung zwischen Täufern und ehemaligen Täufergegnern. Im Laufe des Abends kam es auf Inititative von Ben Girod, Llloyd Hoover und Charlie Ness zu gegenseitigen Schuld-bekenntnissen und Vergebungsbitten. Wolfgang Krauß betonte die Notwendigkeit multiperspektivischen Vorgehens, Erkenntnisse  historischer Forschung, Fragen theologischer Hermeneutik und praktische Überlegungen, was diene der Nachfolge Jesu, müssten Hand in Hand gehen.

Im Mosaik der Versöhnung

Bei mehr als 1000 Veranstaltungen waren unsere Podien und das Mittagsgebet nur ein kleiner Baustein im Mosaik des Katholikentages. Für das bald 500jährige mit der Täuferrherrschaft verbundene Trauma und seine Folgen, mögen sie ein wichtiger Schritt zur Heilung der Erinnerungen gewesen sein. Weitere Schritte der Versöhnung mögen folgen.

 

Wolfgang Krauß, 1954, will mit dem Projekt “Wieder Täufer in Augsburg und anderswo“ die in Augsburg weitgehend vergessene Täuferbewegung im heutigen Stadtbild wieder sichtbar machen. Die Münsteraner Täufer sind durch die Käfige an St. Lamberti zwar mehr als sichtbar, doch es gilt ihre Geschichte neu und ohne Vorurteile im Horizont der Heilung der Erinnerungen zu erzählen.

Erscheint leicht verändert auch in DIE BRÜCKE, Täuferisch-Mennonitische Gemeindezeitschrift, 4/2018, S. 26-29

Im Internet abrufbar sind Videoaufnahmen:

Podium: Gespräch unter den Täuferkäfigen, 11.5.18

Mittagsgebet, Lambertikirche: Umkehr und Versöhnung unter den Täuferkäfigen

 

 


Das Grundgesetz kennt weder Kanzlerinnen- noch Ministereid

Jedesmal dieselbe „Debatte“, landauf, landab wird in den Gazetten vor der Regierungsbildung die Frage erörtert, wer wohl mit oder ohne religiöse Formel „so wahr mir Gott helfe“ schwören wird. Die Süddeutsche Zeitung bringt am 14.3.18 sogar einen Kasten auf Seite 1 Mitte, wo seit geraumer Zeit mehr oder weniger skurrile Phänomene bedacht werden, die sonst auf der bunten Seite „Panorama“ abgehandelt werden müssten. Unter der Überschrift „So wahr ihr Gott helfe“ geht Heribert Prantl hier verschiedenen Aspekten des Amtseides für Regierungsmitglieder nach, taucht ein in seine Geschichte und meint, Merkel hätte ihn nicht zum vierten Mal leisten müssen. Er zitiert Kanzler Helmut Schmidt, der habe zwar „keinerlei Gewissenszweifel gehabt, den Amtseid unter Anrufung Gottes zu schwören“, jedoch gezweifelt, ob Martin Luther oder der Vatikan ihn als Christen anerkennen würden. Zweifel, ob der Eid noch „zeitgemäß“ sei, meint Prantl, habe es immer wieder gegeben, allerdings ohne großes Echo.

Ausgerechnet ein Sozi

Am Ende fragt Prantl nach dem Sinn der religiösen Formel. Wer sie spreche, stelle seine religiöse Überzeugung in den staatspolitischen Dienst. Zum Schluss zitiert er Roman Herzog, der meinte, es entbehre nicht der Pikanterie, dass gerade ein weltanschaulich neutraler Staat, sich der Gläubigkeit seiner wichtigsten Amtsträger bedient, um diese sich weit über die Rechts- und Verfassungsbindung hinaus binden zu lassen. Ach ja, es wird natürlich noch erwähnt, dass Gerhard Schröder bisher als einziger Kanzler auf das „So wahr mir Gott helfe“ verzichtete. Ausgerechnet ein Sozi hat also als einziger Kanzler halbwegs den Willen Gottes erfüllt.

Grundgesetz und Neues Testament

Laut Matthäusevangelium 5, 33 ff sagt Jesus in der Bergpredigt: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3. Mose 19,12; 4. Mose 30,3): Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deine Eide halten. – Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.“

Im Brief des Jakobus 5, 12 heißt es: „Vor allen Dingen aber, Brüder und Schwestern, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde noch mit einem andern Eid. Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt.“

Hätte Schröder ganz auf den Eid verzichtet, so wäre er mit dem Neuen Testament im Einklang gewesen. Aber dann hätte er nach Heribert Prantl nicht Kanzler werden können.

Die christlichen Parteien und das Vorbild Jesu

Seltsam, dass gerade die Kanzlerin und ihre Minister aus den „christlichen“ Parteien, sich auf Gott berufen, aber die Lehre und das Vorbild Jesu Christi nicht achten. Vielleicht gar nicht kennen? Warum verbietet Jesus den Eid? Wir können unser Handeln nicht garantieren und wir sollen nicht Gott als Garanten einsetzen. Jesus hält es für unangebracht wegen irgendwelcher menschlicher Geschäfte – und sei es ein Regierungsantritt – Gott dienstbar zu machen. Wir sollen seinen Namen nicht missbrauchen. Gott soll nicht instrumentalisiert werden, vielmehr sollen wir uns zum Instrument von Gottes Willen machen lassen, wie er nach christlichem Gauben in Jesus offenbar wird. Darum ist Jesus Chef der Christen und nicht der Papst noch Martin Luther, wie Helmut Schmidt meinte.

Immerhin, die neuen Minister Olaf Scholz, Katarina Barley und Svenja Schulze (alle SPD) verzichten auf die religiöse Formel und kommen dem Neuen Testament zumindest auf halbem Weg entgegen. Entbehrt es nicht der Pikanterie, dass gerade CDU/CSU uns zwar was vom „christlichen Menschenbild“ erzählen, sich aber um Lehre und Vorbild Christi nicht scheren, nicht nur in der Eidfrage?


Brecht-Festival

Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer

Nach einem Fragment von Bertolt Brecht

Premiere 23.2.18, Theater Augsburg 19.30-21.30

Das schönste war die Schlussszene, da hatten die Schauspieler sich Hasenköpfe aufgezogen. Einige hatten sogar Hasenfell an. Als sie die Köpfe abzogen, sah man erst dass es die Schauspieler waren. Auch der Fatzer, hatte sich als   Hase verkledet.

Am Schluss gings auch noch gegen den Krieg der Nationen und es wurde zum Bürgerkrieg aufgerufen, gegen die Bürger halt. Weil, die sind nämlich das eigentliche Problem, der eigentliche Feind. Und es braucht den vollen Umsturz.

Ja, und Revolution stand die ganze Zeit in Riesenbuchstaben über die ganze Bühne weg geschrieben. Nur falsch rum, so dass mans nicht lesen konnte, da stand dann LOVE. Sie haben die Buchstaben dann mal so, mal so rum gedreht. Schließlich standen sie dann alle richtig rum, aber die Reihenfolge war immer noch falsch. Und es war dann auch nicht mehr spiegelverkehrt.

Vor der niedlichen Schlussszene mit den Hasen wurde viel geredet. Über Fleisch, was der Fatzer holen sollte und dann doch nicht holte.

Ganz am Anfang waren er und drei andere Soldaten von der Front weggelaufen und hatten sich alle bei dem einen in Mülheim an der Ruhr einquartiert. Da soll es sehr eng gewesen sein, was aber auf der Riesenbühne nicht rüberkam. Und dann wurden dieselben Worte immer wieder gesprochen. Mit Frauen war auch was. Der Mülheimer wollte nix mehr von seiner Frau, sie schon. Und der Fatzer auch.

Wenn das Stück nicht von Brecht wäre, hätte ich gedacht, es ist ein schlechtes Stück. Wenn’s im Fernsehen gewesen wäre, hätt ich bald weitergezappt.

Aber die Hasenszene war schön. Es ist ja bald Ostern. Und den Fatzer haben die drei anderen auch verraten, so wie es die Jünger mit Jesus gemacht haben, kurz vor Ostern. Deswegen wahrscheinlich die Hasenszene.

Gegen Ende hat der Fatzer noch schrecklich gesungen. Laut und punkig. Sonst kommen ja in manchen Brecht-Stücken viel mehr und viel bessere Lieder vor: Mackie Messer zum Beispiel.

Es ist halt ein Fragment, der Brecht hat’s nicht fertig gekriegt. Das merkt man schon.

Die Schauspieler waren schon gut, so viel Text lernen, ohne viel Handlung und episches Theater.

Als dann endlich Schluss war, haben die meisten geklatscht.


zwei junge frauen

ein junger mann

steigen in ulm

in den ic

nach münchen

 

halblang das glatte dunkle haar

die eine

wie inge damals

 

doch wie ich

in augsburg schon

steigen sie aus

 

21.2.18 am tag vor dem hinrichtungsdatum von Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probs am 22.2.1943


Die Bammentaler Weihnachtsgänse

Die seit einigen Jahren sich in Bammental heruntreibende Gänseherde zählt derzeit acht Tiere. Das Flüsschen Elsenz und diverse Grünanlagen bieten eine gute Existenz. Autofahrer snd höchst zuvorkommend, Fußgänger drücken die Ampel, damit die Gänse per Fußgängerampel sicher die Straße queren können.

Als ich den Gänsen heute begegnete, kamen alle acht schnell und fast bedrohlich auf mich zu. Dann wurde mir klar, dass sie Futter von mir erwarten. Neben den Grünanlagen ist das wohl die Grundlage ihres Lebens. Sie werden gefüttert. So sind sie, ursprünglich wohl einem örtlichen Geflügelhof entkommen, Haustiere der Bammentaler geworden. Unsere Weihnachtsgänse, sie müssen weder Backofen noch Bratpfanne fürchten. Höchstens werden sie, wie mit einer Gänsemutter und ihren Kindern geschehen, in einen Streichelzoo verbracht.  Damit die Herde nicht allzu groß wird.


Star Peace

Ich kann ja nicht mitreden, war nur in einem einzigen Film der Star Wars Serie. Damals in Berlin fand ich weder die Effekte spektakulär, eher unbeholfen kamen sie mir vor, ich hatte ja den Vergleich zu Raumschiff Orion mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach in den späten 1960ern oder frühen 1970ern. Auch die Story fand ich eher schwach und vor allem langweilig. – Es sei die schwächste Folge gewesen, sagte mir derjenige von unsern Kindern, der mich ins Kino geschleppt hatte. – Na ja, es hat mich nicht motiviert, weitere Folgen anzusehen oder gar eine lange Star Wars Nacht mitzumachen.

Zu lange dauert mir schon die Nacht der Kriege, als dass ich sie in die Welt der Sterne verlängern möchte. Friede auf Erden wurde verkündigt, damals auf den Hirtenfeldern bei Bethlehem. Ein Stern führte Magier aus dem Osten zu dem in Armut geborenen neuen König. Der Stern des Friedens, Auftakt für einen Frieden, der das ganze Universum erfassen will. Star Peace …


Zwischen Berg- und Bachgasse: Die Synagoge in Göllheim

Letzte Woche hatte ich auf der Verbandsgemendeverwaltung in Göllheim zu tun. Dabei sah ich verschiedene lokalhistorische Veröffentlichungen und hab mir einiges davon mitgenommen. Darunter: Markus Hoffmann, Die Verbandsgemeinde Göllheim, Ein kulturhistorischer Reiseführer, Göllheim 1997. Mich interessiert vor allem S.131.

Ich bin in dieser Nordpfälzer Gegend aufgewachsen und dachte, ich kenn mich einigermaßen aus. Na gut, seit 1972 bin ich nur noch zu Besuch da, bin seit dem Studium in Heidelberg und Umgebung und seit 2008 dann auch in Augsburg ansässig. Dass es eine jüdische Gemeinde in Göllheim gab, wusste ich. Aber nie hatte ich die Synagoge gesehen. Hatte auch nie danach gefragt. Als Kinder und Jugendliche waren wir viel mit der Familie unterwegs, wir wanderten zur Burgruine Falkenstein oder zum Kloster Rosenthal. Aber die Göllheimer Synagoge war nie ein Thema. Nach Göllheim kamen wir zum Kleider oder Schuhe kaufen.

Jetzt erfahre ich, wo die Synagoge stand: auf einem heute freien kleinen Platz zwischen Berg- und Bauchgasse. 1938 in der „Reichskristallnacht“ war sie teilweise zerstört worden. Bis 1949 als Lagerraum genutzt, wird sie 1949 an die jüdische Kultusgemeinde Neustadt übergeben. Mit deren Zustimmung wird sie 1971 wegen Baufälligkeit abgerissen. 1971! Da wohnte ich noch im Nachbardorf Dreisen. Vom Abriss der Synagoge hab ich nichts gehört, auch nichts in der Zeitung gelesen. Hat es da gestanden und ich habs nur nicht wahrgenommen?

Berggasse? Bauchgasse? In diesen Gassen abseits der Göllheimer Hauptstraße bin ich nie gewesen. Wenig repräsentative Häuser, nicht so herzeigbar und prächtig wie viele an der Hauptstraße und im Umkreis der katholischen und evangelischen Kirche.

Ich gehe zum Platz, wo die Synagoge stand. Ich sehe den 1979 errichteten Gedankstein, die schon fast unleserliche Infotafel der Agenda-21-Gruppe und die Denkmalplakette, wie sie alle denkmalsgeschützte Gebäude hier tragen. Hier für ein Denkmal, das nicht mehr steht.


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