War zwar schon letzte Woche, dass US-Vizepräsident Joe Biden in Brüssel die Bereitschaft seiner Regierung unterstrich, mit „moderaten“ Taliban zu verhandeln. Doch mir geht die Antwort „unseres“ Verteidigungsministers Franz Josef Jung nicht aus dem Sinn. Auf einen entsprechenden Vorschlag des damaligen SPD-Chefs Beck letztes Frühjahr bezweifelte er noch, dass es sowas wie „gemäßigte“ Taliban geben könnte. Nun meint er, da müsse man „sehr sensibel vorgehen „. Sprechen könne man nur mit Gruppen, die sich ganz klar von Gewalt distanzierten.
Gewaltfreie Bundeswehr!
Aha, Herr Jung, wird die Bundeswehr mit gutem Beispiel vorangehen und die geplanten Verstärkungen als unbewaffnete gewaltfreie Einsatztrupps schicken? Oder wie soll man die Taliban dazu bringen, auf Gewalt zu verzichten? Verwechseln Sie da nicht mögliche Verhandlungen mit deren Ergebnis?
Es hat sie gegeben, die gewaltfreien Mudschahedin!
Gegründet wurden sie vor 90 Jahren in der Nordwestgrenzprovinz von British Indien durch Khan Abdul Ghaffar Khan, 1890-1988, einem späteren Freund und Mitstreiter Gandhis, genannt Badshah Khan. Unter den Paschtunen im heutigen Pakistan/Afghanistan, baute er mit den Khudai Khidmatgar (Diener Gottes) eine Armee gewaltloser Soldaten zum Kampf gegen die britische Herrschaft auf. Er lobte seine paschtunischen Krieger als die mutigsten und härtesten Kämpfer der Welt, gerade darum seien sie prädestiniert, gewaltfrei zu kämpfen. Bis 1938 stieg ihre Zahl auf knapp 100.000.
Als Abdul Ghaffar Khan im April 1930 zum wiederholten Mal verhaftet und in Peschawar ins Gefängnis geworfen wurde, reagierten die Khudai Khidmagar mit Streiks und Demonstrationen. Die britische Kolonialverwaltung ließ auf die unbewaffnete Menschenmenge schießen. Die indischen Soldaten der Eliteregimenter legten jedoch die Waffen nieder, nachdem hunderte Demonstranten fielen, ohne sich gewalttätig zu wehren.
Neun Tage wurde Peschawar von den gewaltfreien „Dienern Gottes“ verwaltet. Dann hatten die Briten neue Truppen herbeigeführt, die mit massiver militärischer Gewalt und Unterdrückung die Selbstverwaltung beendeten.
Badscha Khan saß auch im unabhängigen Pakistan 15 Jahre im Gefängnis, da er gegen die religiöse und ethnische Teilung Indiens war. 1962 war er Gefangener des Jahres von Amnesty International. Seine Bewegung trat für religiöse Toleranz, Frauenrechte, soziale Reformen ein. Grundlage seines Engagements war der Islam, den er kämpferisch aber gewaltfrei auslegte.
1965-71 war er in Afghanistan im Exil. Als er 1988 unter Hausarrest in Peschawar stirbt, wird er auf seinen Wunsch im Garten seines Hauses in Jalalabad, Afghanistan beerdigt. 20.000 Trauernde kommen zu seinem Begräbnis. Die verschiedenen Fraktionen des afghanischen Bürgerkrieges halten währenddessen einen Waffenstillstand zu seinen Ehren.
Wie kommt es, dass gerade unter den Paschtunen heute die Unterstützung der Taliban besonders groß ist? Welchen Lehrplan haben „Ost“ und „West“ und Mächte wie Saudiarabien seit jeher dort umgesetzt?
Mehr Infos unter: http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/003162.html
19. März 2009 von Wolfgang
2 Reaktionen zu “Gewaltfreie Taliban?!”
Interessante Geschichte – dann gab’s die Idee gewaltfreier „Soldaten“ also schon vor 1984…
[…] wie Gandhi, als er mit seiner gewaltfreien Armee Indiens Unabhängigkeit erwirkte, oder Badschah Khan seinem pakistanischen Mitstreiter. Oder Martin Luther King, der die Rassentrennung in den USA […]