Weil mir nach 14 Tagen kaum noch Aussicht zu bestehen scheint, dass die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ meinen aktuellen Leserbrief abdruckt, mache ich ihn jetzt hier zugänglich:
Kommt der Terror nach Deutschland? fragt die Titelzeile eines Artikels von Rudi Wais zur Sicherheitslage hierzulande nach den Terroranschlägen in Paris. Darin wird Innenminister Maizière zitiert, der an die Wachsamkeit der Bürger, auch der „Mitgläubigen in den Moscheegemeinden“ appelliert. Eine Radikalisierung könne sich in auffälligen Veränderungen andeuten, etwa den „Essgewohnheiten“. Es sei nicht nur Sache der Polizei oder der Geheimdienste, „wenn jemand vor dem Essen den Namen Allahs murmelt, oder neuerdings kilometerweit fährt, um Fleisch von Tieren zu kaufen, die nach islamischen Ritus geschlachtet wurden“.
Ich sage Ja zur Wachsamkeit, ich bin dabei. Doch Maizières Vorschlag macht auf mich den Eindruck, der Terror sei schon in Deutschland angekommen. Wie soll man es nennen, wenn der Innenminister muslimische Tischgebete und Speisegebote als Anlass sieht, Menschen die solche praktizieren den Behörden zu melden. Das wollen die Terroristen doch, dass nicht unterschieden wird zwischen Islam und islamistischem Terror. Werden wir so nicht dem sog. „islamischen Staat“ (IS) ähnlich? Dort macht sich verdächtig, wer nicht im Namen Allahs betet.
Was ist mit christlichen oder jüdischen Tischgebeten, oft im Lokal nur gemurmelt, man will ja niemand stören. Es war ein koscherer Supermarkt, der in Paris überfallen wurde. Vier Menschen wurden dort ermordet, weil sie“kilometerweit“ gefahren waren, um Lebensmittel zu kaufen, die ihrem Glauben entsprechen.
Die Terroristen haben schon gesiegt, wenn wir zu einer Gesellschaft der Spitzel und Denunzianten werden. Wer zu Tisch betet, ist zuallererst mein Verbündeter. Ich bete nicht nur, dass Gott mein Essen segne, sondern auch, dass er wehre und uns alle, Juden, Christen, Muslime, Atheisten und Agnostiker widerständig mache gegen Hass, Terror und Krieg.
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Nachbemerkung: Als Täufer und Mennonit bin ich historisch vorbelastet. Im 16. Jahrhundert soll es vorgekommen sein, dassTäufer in Wirtshäusern verhaftet wurden, weil sie zu Tisch beteten bzw. das Zuprosten (Saufen) verweigerten. Natürlich ging es auch damals nicht ums Tischgebet, sondern um die unterstellte Radikalität der Betenden.
30. Januar 2015 von Wolfgang