Im Mai und Juni 2022 wird der Augsburger Rathausplatz von einem seltsamen Gebilde dominiert. Eine riesige Holzkonstruktion, begehbar, ein riesiger Bildschirm davor. Die Fuggerei feiert 2022 weiter ihr schon 2021 bejubeltes Jubeläum. 500 Jahre Fuggerei. In EWIGKEIT Amen.
EWIGKEIT. Das wird in den Ausstellungsräumen des Gebildes, es soll den Fuggereihäusern nachempfunden sein, zum meistgebrauchten Wort. ZUKUNFT steht ihm kaum nach. FUGGER next 500 From 1521 to Future.
ALLE WELT. Die Fuggerei soll in alle Welt exportiert werden. Der große Wohltäter Jakob Fugger wird gefeiert. „Für eine minimale spirituelle und monetäre Gegenleistung ermächtigt die Stiftung Bedürftige in der Region ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu führen. Das Konzept der Fuggerei setzt Maßstäbe seit 1521.“ So heißt es am Eingang unter der Überschrift „DER FUGGEREI-CODE“.
Kein kritisches Wort zur Hybris ein menschliches Werk mit Ewigkeitscharakter auszustatten. Blasphemie? Gotteslästerung? Nein, wer kommt auf solche Gedanken. Da ist die Prädikatur vor, eine ebenfalls auf EWIG eingerichtete Predigerstelle an St. Moritz. Und der Dritte im Bunde ist die Grablege der Fugger, die Fuggerkapelle in der Annakirche. Die ist zwar schon bald 500 Jahre lutherisch. Aber egal. Die minimale spirituelle Gegenleistung besteht in drei Gebeten am Tag. Alle, die in der Fuggerei wohnen, sollen sie täglich als geistliche Miete sprechen: Vater Unser, Ave Maria und Glaubensbekenntnis. Damit Jakob Fugger schneller aus dem Fegefeuer kommt. Er ist also immer noch dort!? Denn immer noch wird für ihn gebetet von Auf ewig muss für ihn gebetet werden? Derzeit von 150 Leuten, die da wohnen. Früher waren es mehr als 300. Und das soll EWIG so gehen!? Jakob Fugger, damals der reichste Mann der Welt, umgerechnet heute noch! Reicher als Elon Musk, Bill Gates etc., Jakob Fugger kommt nur durch die permanenten Gebete armer Schlucker irgendwann in der Ewigkeit aus dem reinigenden Feuer?
Was hat er verbrochen? Ist es, weil er den Kapitalismus miterfunden hat? Gar den fossil betriebenen Kapitalismus mit seinen Bergwerken in Tirol und anderswo? Trägt er Mitschuld an der Klimakrise? Oder hat es damit zu tun, dass die unschuldig verarmten Katholiken, die er vor 500 Jahren in die Fuggerei aufnahm, erst durch Fuggers Geschäftspolitik arm geworden waren? Wie auch immer. Der „Fuggerpavillion“ beherrscht noch bis 12.6.22 den Rathausplatz. Das ist publikumswirksam gemacht. Jede Menge Veranstaltungen laufen in seinem Bauch. Touristen und Einheimische strömen neugierig ins Innere. DIE Augsburger Legende soll auf EWIG fortgeschrieben werden. Gut angelegte Investition! So kauft man eine Stadt. Seit 500 Jahren. Für die EWIGkeit.
Wen es interessiert, wie die Fugger sich selber loben, der kann unter www.fuggerei-next500.de nachschauen. Wer sich ein kritisches Bild machen will, lese den aufschlussreichen Artikel „Die Augsburger Fuggerei und ihre Legenden“ in DIE AUGSBURGER ZEITUNG (DAZ).
27. Mai 2022 von Wolfgang