„Der alte König“ so überschreibt Johann Hinrich Claussen seine Besprechung des neuesten „Buches“ – es ist wieder eine Zusammenstellung von Reden – Helmut Schmidts. Darin lobt er die Erbaulichkeit der Bücher Schmidts und seine Verteidigung eines „Christentums außerhalb der Kirche“. Diese „im Protestantismus … legitime Form von Kirchlichkeit, die zur verfassten Kirche Distanz hält … lebt aus einem bewussten Berufsethos, genießt Glaubensfrüchte nur, wenn sie in Gestalt klassischer Kirchenmusik dargereicht werden“. Das sei hierzulande „das religiös Normale“.
Schmidts Verkündigung des Prinzips „Verantwortung“ komme „manchmal etwas überraschungsfrei daher“. Doch begehe er nie „den Fehler in moralistischer Manier Eindeutigkeiten zu beschwören“. Schmidt wolle vielmehr „Verständnis für ethische Konflikte und deren Bewältigung in Kompromissen wecken“. Und dann kommt der Satz der allen, die Christsein irgendwie anders verstehen, in den Ohren klingeln sollte:
„Indem er die Spannungen zwischen Person und Amt, individueller Gesinnung und politischer Verantwortung bedenkt, schreibt er eine lange protestantische Tradition fort, nämlich Luthers Eintreten für ein evangelisches Berufsethos und seinen Kampf gegen die Unbedingtheitsmoral der Wiedertäufer.“
Wunderbar und sehr erbaulich, wie Claussen hier den alten Popanz der sturen Wiedertäufer wieder aufbaut. Fehlt nur noch, dass er auch wieder die Todesstrafe fordert für diese verwirrten und aufrührerischen Seelen, wie Luther und Melanchthon es dunnemals aus „Verantwortung“ taten.
Hatte christlicher Glaube, ob kirchendistanziert oder nicht, nicht irgendwann mal was mit einem Jesus zu tun, der dazu aufrief, ihm nachzufolgen? War da nicht einer, der die „Unbedingtheitsmoral“ predigte, wir sollten nicht nur unsere Nächsten lieben, sondern auch unsere Feinde?
Waren es nicht Mennoniten und Quäker in USA, biologische und geistliche Nachfahren der bockigen Wiedertäufer, die als erste im 20. Jahrhundert Konzepte der Mediation, Konflikttrabsformation und des Opfer-Täter-Ausgleichs erdachten und erprobten?
Die ganze Rezension ist hier nachzulesen
http://www.sueddeutsche.de/kultur/neues-buch-von-helmut-schmidt-der-alte-koenig-1.1093147
6. Mai 2011 von Wolfgang