• Home
  • Über mich

Wolfgangs Notizen

Von Theologen & Theolunken, Betschwestern, Winkelpredigern, Gartenbrüdern & Himmelsstürmern

Feeds
Artikel
Kommentare

Amisch-Krimi im ZDF

ZDF-Krimireihe: Ihr Auftrag, Pater Castell

Das Geheimnis der letzten Tage, ZDF, 27.5.2010, 20.15 – 21.45

Da gucken die Schauspieler bedeutungsvoll, da sagen sie ihre Texte auf, da dräut die Musik und es wabert gregorianisch, wenn via Petersdom der Vatikan ins Bild gesetzt wird. Schließlich wirkt im Hintergrund Kardinalstaatssekretär Scarpia und öffnet dem ZDF-Detektiv Pater Castell die bekanntlich allwissenden Archive des Vatikan für entscheidende Indizien.

Erst jetzt entdecke ich die schon 2008 gestartete ZDF-Krimireihe. Die letzte Folge  begnügt sich nicht damit, dass zwei Drittel der Ermittler dem katholischen Klerus angehören. Auch der erste Verdächtige für den obligatorischen Mord muss ein katholischer Priester sein. Er muss zudem dem „fundamentalistischen Verein eines abtrünnigen Bischofs“ angehören, der am liebsten heute noch Ketzer verbrennen würde. Was für die Handlung, später keinerlei Rolle mehr spielt. Obendrauf muss der Ermordete auch noch zu einer Gruppe von Amischen gehören, die vor einiger Zeit aus USA eingewandert ist.

Der Ermordete wurde von den Amischen für abweichendes Verhalten mit Meidung gestraft. Wer meidet, der mordet, schließt die Komissarin arg naiv. Als weiterer Verdächtiger kommt also der arg dogmatisch halsstarrige Älteste der Amischen oder dessen künftiger Schwiegersohn ins Spiel, denn der Älteste hatte seine Tochter dem falschen versprochen. Der offizielle Verlobte ist damit natürlich Verdächtiger Nr. 3! Es sei gleich verraten, dass selbst mittelmäßig gewiefte Zuschauer nach spätestens 1/3 der Sendezeit im Urin spüren werden, wer der wahre Mörder ist.

Das Detektivteam ist sozusagen trinitarisch konstruiert und besteht aus Kardinalstaatssekretär Scarpia (Hans Peter Hallwachs), Pater Kastell (Francis Fulton-Smith) als „Sonderermittler des Vatikan“ und schließlich der bieder daherkommenden Münchner Komissarin Marie Blank (Christine Döring) – laut ZDF „eine atheistische Karrierefrau“, die durch Pater Castell beginnt, sich für den Glauben zu interessieren. Im Interview meint die Schauspielerin, die Serie sei „guter Geschichtsunterricht“.

Da fehlt mir der Glaube. Leider wirken nicht nur Handlung und Personen, sondern auch der historische Rahmen dieser Folge arg konstruiert. Der Ermordete hat angeblich ein von Jakob Amman mit ins Grab genommenes Geheimnis entdeckt. Er wollte von ihm entdeckte undogmatische Spätschriften Ammans nutzen, um eine amische Reformation zu bewirken. Auch die in die Handlung eingestreuten Infos über amische Geschichte und Eigenart bleiben in Klischees stecken und lassen uninformierte Zuschauer ähnlich uninformiert zurück. Ebenso werden katholische Kirche und Vatikan arg stereotyp gezeichnet

Die Kommissarin erinnert sich angesichts der amischen Kleidung „an einen Film mit Harrison Ford und dieser Sekte in USA“. Eine Szene zitiert sogar Peter Weirs legendären Amischkrimi „Der einzige Zeuge“. Dorfjugendliche mobben einen jungen Amischen, Pater Castell greift ein und rettet ihn. Die konsternierte Komissarin fragt: Warum hast du dich nicht gewehrt? „Wir wollen nicht zu dieser Welt gehören. Aber die sind neidisch, denn die Städter kaufen lieber unser Obst.“

Das beste ist noch, dass zu Beginn der Handlung, als noch der Fundipriester verdächtigt wird, Pater Castell sich große Sorgen ums ökumenische Klima macht: „ein gefundenes Fressen für die Presse. Es hat Jahre gedauert, dass der Dialog in Gang kam, nach allem, was die letzten Jahrunderte geschehen ist.“ War Castell etwa inkognito Mitglied der Dialogkommission zwischen Mennonitischer Weltkonferenz und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Es kommt schließlich sogar zu einer materiellen Wiedergutmachung vergangenen Unrechts gegenüber den Amischen.

Schade, die erste Folge der neuen Krimiserien leidet an unerträglich flacher Story, ebenso flacher Schauspielerei, fehlendem historischen, psychologischen, und literarischem Tiefgang.

Die eingestreuten Infos über Katholiken, Amische und andere Kirchen sind kaum mit der Handlung verbunden, meist werden sie in Dialoge zwischem kirchengeschichtlich bewandertem Pater und ahnlungsloser Kommissarin gepackt: „Amische sind grundsätzlich gegen Gewalt, sind sind letztendlich aber auch nur Menschen.“ Wer hätte das gedacht?

Der Sendungstitel „Das Geheimnis der letzten Tage“ hat übrigens keinerlei endzeitlichen Horizont. Es geht nur um die angeblich letzten Schriften Jakob Ammans.

Es wird einfach zu viel, zu dick aufgetragen. Die Anspielungen auf berühmte klerikale Detektive von Chestertons Father Brown, über Rühmanns Pater Brown bis zu Ottfried Fischers Pfarrer Braun zeigen nur die Fallhöhe zu diesen Vorbildern.

Neben dem ARD-Tatort aus Münster und dem Münsteraner Antiquar und ZDF-Privatdetektiv Wilsberg, beide immer wieder mal für Täufermotive gut, nun also Amische in Pater Kastells klerikaler Krimireihe. Wie nur kommen die Autoren darauf, Jakob Amman sei in Habach bei Augsburg an Auszehrung gestorben und dort begraben? War doch Habach (Heybach) in Oberbayern, südlich des Starnberger Sees, um 1495 Hans Dencks Geburtsort. Eine historische Krimiserie mit Hans Denck als Ermittler, das wärs doch. Da könnten spiritueller und krimineller Tiefgang einander das Wasser reichen.

Übrigens der Sendungstitel „Das Geheimnis der letzten Tage“ hat keinerlei endzeitlichen Horizont. Es geht nur um die angeblich letzten Schriften Jakob Ammans.

In der ZDF-Mediathek gibt’s jede Menge Interviews mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern. Außerdem ein Lexikon, das jedoch nicht mal das Stichwort „Amische“ enthält.

Wer den Film trotz dieser Rezension noch anschauen will, findet das Video in der ZDF-Mediathek:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1052578/Das-Geheimnis-der-letzten-Tage#/beitrag/video/1052578/Das-Geheimnis-der-letzten-Tage



2. Juni 2010 von Wolfgang

Geschrieben in Artikel und Texte, Rezensionen | 0 Kommentare

Comments are closed.

  • Kategorien

    • Adventskalender
    • Artikel und Texte
    • Buchnotizen
    • Die andere Reformation
    • Fotos
    • Friedensfest
    • Gedichte
    • Musikalische Notizen
    • Notizen zur Person
    • Persönliche Notizen
    • Politische Notizen
    • Projektnotizen
    • Reisenotizen
    • Rezensionen
    • Theologische Notizen
    • Welterbe Wasserwirtschaft
    • Witze
  • Links

    • Allgemein

      • Bennis Blog
      • Christian Peacemaker Teams
    • Mennoniten

      • DMFK
      • Mennonitengemeinde Bammental
  • Archive

    • Juni 2023
    • April 2023
    • Januar 2023
    • Dezember 2022
    • November 2022
    • Mai 2022
    • Februar 2022
    • Dezember 2021
    • Oktober 2021
    • September 2021
    • Juli 2021
    • März 2021
    • Dezember 2020
    • Juli 2020
    • April 2020
    • März 2020
    • Dezember 2019
    • Juli 2019
    • Juni 2019
    • März 2019
    • Juli 2018
    • März 2018
    • Februar 2018
    • Dezember 2017
    • September 2017
    • April 2017
    • Januar 2017
    • Dezember 2016
    • November 2016
    • Juli 2016
    • Mai 2016
    • Februar 2016
    • Dezember 2015
    • November 2015
    • August 2015
    • Februar 2015
    • Januar 2015
    • November 2014
    • Juli 2014
    • Mai 2014
    • April 2014
    • Februar 2014
    • Januar 2014
    • August 2013
    • Juli 2013
    • April 2013
    • März 2013
    • Januar 2013
    • Dezember 2012
    • November 2012
    • September 2012
    • August 2012
    • Juli 2012
    • April 2012
    • März 2012
    • Februar 2012
    • Januar 2012
    • Dezember 2011
    • November 2011
    • Oktober 2011
    • September 2011
    • August 2011
    • Juli 2011
    • Juni 2011
    • Mai 2011
    • März 2011
    • Februar 2011
    • Januar 2011
    • Dezember 2010
    • August 2010
    • Juli 2010
    • Juni 2010
    • April 2010
    • Februar 2010
    • Januar 2010
    • Dezember 2009
    • November 2009
    • September 2009
    • August 2009
    • Juli 2009
    • Juni 2009
    • Mai 2009
    • April 2009
    • März 2009
    • Februar 2009

MistyLook made free by Web Hosting Bluebook Übersetzung von Fabian Künzel