Gestern abend beim Podium zum lutherisch-mennonitischen Dialog im Augsburger Annahof meinte ich, wie schön es doch sei, dass wir heute und erst recht nach dem Versöhnungsgeschehen der Vollversammlung des lutherischen Weltbundes im Juli 2010 unter ganz anderen Bedingungen disputieren können als damals im 16. Jahrhundert.
Im September 1527 waren die führenden Glieder der Augsburger Täuferbewegung verhaftet worden. Vom 21. bis 26.9.1527 kam es auf Anweisung des Stadtrats zu Disputationen der Reformatoren Urbanus Rhegius, Johannes Frosch, Stephan Agricola und Michael Keller mit den gefangenen Täufern Jakob Dachser, Hans Hut, Jakob Groß, Sigmund Salminger. Die amtlich bestellten Prediger erhielten jeder 4 Gulden Honorar für ihre (vergebliche) Mühe zur Bekehrung der „Ketzer“. Die Honorarrechnungen finden sich noch heute im Stadtarchiv.
Außer Hut, der durch eine Rauchvergiftung bei einem mysteriösen Brand Ende November 1527 umkam, verbrachten alle mehr als drei Jahre in Haft und weigerten sich zu widerrufen. Nach und nach wurden sie jedoch mürbe durch die schweren Haftbedingungen.
Sigmund Salminger, ehemaliger Franziskanermönch aus München und nun einer der beiden Vorsteher der Gemeinde, widerrief endlich auch im Advent 1530. Arm, krank und körperlich gebrochen verließ der den Kerker. Im März 1531 sollte er die Stadt verlassen, weil er sein Kostgeld nicht zahlen konnte. Wegen seiner Krankheit und der noch winterlich kalten Witterung bat er um Aufschub der Ausweisung. Eine kurze Frist wurde ihm gewährt. Doch es ging ihm danach auch nicht besser und so bat er, doch bleiben zu dürfen und erbot sich „allen Menschen zu dienen, besonderlich der Kranken und Sterbenden zu warten, wo man mein begehrt.“ Mennonitisches Lexikon, IV, S.15.
Zur heutigen Stadtführung auf täuferischen Spuren bei auch winterlichem Wetter, Schneeregen und nasskaltem Wind fanden sich immerhin 6 Personen ein. Als wir schon im warmen Barfüßercafé Zuflucht gefunden hatten, erinnerte ich an Salminger und die anderen.
Gott sei Dank verlaufen die heutigen Disputationen nicht mehr so asymmetrisch wie damals. Im Gegenteil in der lutherisch-mennonitischen Dialogkommission hat man auf Augenhöhe miteinander gesprochen und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nun geht es darum diese Versöhnung landauf, landab zu erden.
„Heilung der Einnerungen: Versöhnung in Christus“ (136 S.) als pdf-Datei
11. Dezember 2010 von Wolfgang